Das Wasser rauscht, ein Segel weht von Johann Wolfgang von Goethe

Das Wasser rauscht, ein Segel weht,
Auswandrer ziehn vom Rhein;
An hoher Burg ein Mädchen geht
und singt im Abendschein:
Was soll ich in die Fremde ziehn?
die Heimat ist so schön,
wenn grün der Berg, wo Reben blühn
und linde Lüfte wehn.
 
Zieht hin, zieht hin! sucht fern das Glück,
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wo reichre Länder sind:
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ich bleib an meinem Rhein zurück,
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obschon ein armes Kind.
 
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Wenn hoch am stillen Himmelsblau
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das Gold der Traube reift,
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Durch Morgenduft und hellen Tau
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zur Burg der Wandrer streift.
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Fern, sagt ihr, liegt des Glückes Bahn,
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mein stilles Herz spricht: Nein!
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O laßt mir diesen schönen Wahn,
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trübt nicht mein Glück am Rhein!
 
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Zieht hin, zieht hin! sucht fern das Glück,
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wo reichre Länder sind:
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ich bleib an meinem Rhein zurück,
24 
obschon ein armes Kind.
 
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Wo liegen Städtchen, Perlen gleich,
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wie hier am Ufer grün?
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Wo zieht ein Strom so segelreich
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Durch Blumenborde hin?
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Liebst du denn nicht des Rheines Flut,
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die Berg und Schlösser malt,
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viel mehr denn alles Geld und Gut?
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ist denn dein Herz so kalt?
 
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Zieht hin, zieht hin! sucht fern das Glück,
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wo reichre Länder sind:
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ich bleib an meinem Rhein zurück,
36 
obschon ein armes Kind.
 
37 
Nicht in die Fremde zög ich fern,
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ich lieb mein Heimatland,
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Wo mich der deutsche Junge gern,
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wo ich die Liebe fand.
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Hier wuchs ich auf, der Rebe gleich,
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mit manchem süßen Traum,
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sie blickt in Nacht zum Sternenreich,
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bei Tag in heitern Raum.
 
45 
Zieht hin, zieht hin! sucht fern das Glück,
46 
wo reichre Länder sind:
47 
ich bleib an meinem Rhein zurück,
48 
obschon ein armes Kind.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Das Wasser rauscht, ein Segel weht“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
263
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Das Wasser rauscht, ein Segel weht“ ist Johann Wolfgang von Goethe. 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1765 und 1832. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Der Schriftsteller Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Die Literaturepoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich darüber hinaus auch gegen das Bürgertum, das als eng und freudlos galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Autoren des Sturm und Drang waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, häufig unter 30 Jahre alt. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Goethe (geboren am 28. August 1749 in Frankfurt am Main; verstorben am 22. März 1832 in Weimar) ist einer der populärsten Dichter der Weimarer Klassik. 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Literaturepoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Die Weimarer Klassik wird oft nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen werden in der Literatur genutzt. Zu den bedeutenden Motiven der Klassik gehören unter anderem Toleranz und Menschlichkeit. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik kennzeichnend. Während man in der Epoche des Sturm und Drangs die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die Hauptvertreter der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 263 Worte. Die Gedichte „An den Mond“, „An den Schlaf“ und „An den Selbstherscher“ sind weitere Werke des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Wasser rauscht, ein Segel weht“ weitere 1617 Gedichte vor.

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