Der alte Derffling von Theodor Fontane
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Es haben alle Stände |
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So ihren Degenwerth, |
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Und selbst in Schneiderhände |
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Kam einst das Heldenschwert; |
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Drum jeder, der da zünftig |
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Mit Nadel und mit Scheer’, |
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Der mache jetzt und künftig |
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Vor Derffling sein Honneur. |
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In seinen jungen Tagen |
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War das ein Schneiderblut, |
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Doch mocht’ ihm nicht behagen |
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So Zwirn wie Fingerhut, |
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Und wenn er als Geselle |
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So saß’ und fädelt’ ein, |
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Schien ihm die Schneiderhölle |
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Die Hölle selbst zu sein. |
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Einst als das Nadelhalten |
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Ihm schier an’s Leben ging, |
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Dacht’ er: „das Schädelspalten |
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Ist doch ein ander Ding;“ |
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Fort warf er Maaß und Elle |
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Voll Kriegslust an die Wand, |
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Und nahm an Nadels Stelle |
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Den Säbel in die Hand. |
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Sonst focht er still und friedlich |
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Nach Handwerksburschen-Recht, |
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Jetzt war er unermüdlich |
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Beim Fechten im Gefecht; |
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Es war der flinke Schneider |
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Zum Stechen wohl geschickt, |
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Oft hat er an die Kleider |
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Dem Feinde was geflickt. |
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Er stieg zu hohen Ehren, |
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Feldmarschall ward er gar, |
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Es mocht’ ihn wenig kehren, |
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Daß einst er Schneider war; |
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Nur fand er einen Spötter, |
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Verstund er keinen Spaß, |
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Und brummte: „für Hundsfötter |
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Ist hier mein Ellenmaaß.“ |
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Krank lag in seinem Schlosse |
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Der greise Feldmarschall, |
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Keins seiner Lieblingsrosse |
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Kam wiehernd aus dem Stall; |
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Er sprach: „als alter Schneider |
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Weiß ich seit langer Zeit, |
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Man wechselt seine Kleider, – |
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Auch hab’ ich des nicht leid. |
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„Eh fehlt der alten Hülle |
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In Breite schon und Läng’ |
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Der Geist tritt in die Fülle, |
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Der Leib wird ihm zu eng; |
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Gesegnet sei Dein Wille, |
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Herr Gott, in letzter Noth!“ |
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Er sprach’s, und wurde stille, – |
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Der alte Held war todt. |
Details zum Gedicht „Der alte Derffling“
Theodor Fontane
7
56
259
1846
Realismus
Gedicht-Analyse
Der Verfasser dieses Gedichtes ist Theodor Fontane, ein bekannter deutscher Schriftsteller des Realismus, der von 1819 bis 1898 lebte. Sein Werk „Der alte Derffling“ kann dementsprechend in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeordnet werden.
Beim ersten Lesen des Gedichtes fällt vor allem die Erzählstruktur auf, die die Lebensgeschichte eines ehemaligenKleidermachers und späteren Feldmarschalls schildert. Die sieben Strophen erzählen den Weg des 'Helden' auf äußerst lebendige und anschauliche Weise.
Im Inhalt geht es um einen Schneider, der sein einfaches Handwerk verlässt, um stattdessen eine militärische Karriere anzustreben. Er steigt bis zum Rang eines Feldmarschalls auf und erreicht somit eine hohe gesellschaftliche Stellung. Dies zeigt, dass auch Menschen aus einfachen Verhältnissen zu Großem in der Lage sind, wenn sie den Mut haben, ihre Träume zu verfolgen.
Das lyrische Ich betrachtet diesen Lebensweg mit Anerkennung und unterstreicht durch seine Erzählung den Wert von Mut, Entschlossenheit und Tapferkeit. In einfachen Worten könnte die Aussage so interpretiert werden: Jeder, unabhängig von seinem gesellschaftlichen Stand, kann Großes erreichen, wenn er den Mut hat, ungewöhnliche Wege zu gehen.
In Bezug auf die Form und die Sprache fällt auf, dass Fontane sich für einen einfachen und klaren Ausdruck entscheidet, der dem Inhalt gut gerecht wird. Die sieben Strophen von je acht Versen verwenden einen gereimten Vierzeiler mit Kreuzreim. Durch den direkten und erzählenden Ton entsteht eine lebendige und zugängliche Atmosphäre, die den Leser in die Erzählung hineinzieht. Die klare und bildhafte Sprache macht das Gedicht eingängig und leicht verständlich. Das Gedicht steht bezeichnend für Fontanes schlichte und zugleich tiefsinnige Schreibweise, die seine Werke kennzeichnet.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Der alte Derffling“ ist Theodor Fontane. Im Jahr 1819 wurde Fontane in Neuruppin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1846 zurück. Erscheinungsort des Textes ist Stuttgart und Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Fontane ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 259 Worte. Der Dichter Theodor Fontane ist auch der Autor für Gedichte wie „An Lischen“, „An Marie“ und „An meinem Fünfundsiebzigsten“. Zum Autor des Gedichtes „Der alte Derffling“ haben wir auf abi-pur.de weitere 214 Gedichte veröffentlicht.
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