Nachtstille von Robert Eduard Prutz

In stiller Nacht, die Sterne gingen
Am Himmel hoch in ernster Pracht,
Ein Säuseln hört' ich und ein Klingen
Wohl durch die stille Mitternacht.
 
Doch war es nicht der Blätter Rauschen,
Es war nicht Nachtigallensang!
Aus tiefster Seele mußt' ich lauschen
Dem nie gehörten süßen Klang.
 
Und, o mir war's, als käm' geflogen
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Ein Flötenton aus Fels und Stein,
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Als sängen aus des Baches Wogen
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Sirenen ihren Zauberreihn;
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Als lullten leise, schlummertrunken,
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In süßen Traum sich Feld und Wald,
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Wie halb in Schlummer schon gesunken
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Ein Kindlein noch Gebete lallt;
 
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Als ob in seinem Silbernachen
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Der Mond ein Schifferlied sich sang;
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Als ob geheim in tausend Sprachen
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Der Sterne nächtlich Plaudern klang;
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Als stiege schon vom Himmel nieder
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Der Träume leichtbeschwingter Chor,
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Und sänge Märchen, sänge Lieder
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Dem Schlummernden ins wache Ohr!
 
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Das, o Natur, ist deine Weise;
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Es ist dein nächtlich Feierlied,
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Das hell wie Orgelton und leise
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Wie ein Gebet das All durchzieht.
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Und wo dich Sterbliche vernehmen,
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Da machst du schnell die Herzen weit;
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Zu linder Wehmut wird ihr Grämen,
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Zu stiller Hoffnung wird das Leid.
 
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So tönet fort, ihr süßen Lieder,
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Ihr Engelsstimmen hell und rein!
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Strömt leise wie ein Balsam nieder,
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In jedes wunde Herz hinein!
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Und wo getrennt von seiner Schönen
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Ein Jüngling unter Thränen wacht,
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Da sagt ihm mit der Liebsten Tönen
40 
Ein herzig süßes: Gute Nacht!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Nachtstille“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
224
Entstehungsjahr
1816 - 1872
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nachtstille“ wurde von Robert Eduard Prutz verfasst, einem deutschen Dichter und Publizisten, der im 19. Jahrhundert zwischen 1816 und 1872 lebte. Es ist typisch für die Epoche des Biedermeier und des beginnenden Realismus in Deutschland, in der sich viele Autoren auf das Private, das Persönliche und das Intime konzentrierten.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht die friedliche und beruhigende Atmosphäre einer ruhigen Nacht einzufangen. Es besteht aus sechs Strophen, wobei jede Strophe eine andere Stimmung oder Szene aus der Nacht darstellt. Der Inhalt konzentriert sich auf die sinnliche Erfahrung der Nachtstille, die vom lyrischen Ich beobachtet und wahrgenommen wird.

Die Verse eins bis vier beschreiben zunächst eine stille und sternklare Nacht, in der ein kaum hörbares Geräusch den Frieden durchbricht. In den Versen fünf bis acht hört das lyrische Ich einen „nie gehörten süßen Klang“. Es wird klar, dass das Geräusch kein natürlicher Laut ist, sondern eher ein metaphysisches oder spirituelles Erlebnis, das die innerste Seele erreicht.

Die nächsten beiden Strophen (9-16 und 17-24) vertiefen diese Idee durch den Einsatz von metaphorischer Sprache. Imaginäre Klänge und Szenen - ein Flötenton, singende Sirenen, ein schiffslied singender Mond, Plaudern der Sterne - vermitteln dem Leser eine fast überirdische oder magische Qualtität der Nacht.

In den letzten beiden Strophen (25-32 und 33-40) wird die Weise der Natur eingeführt und gefeiert und als Möglichkeit gesehen, menschlichen Schmerz zu lindern. Selbst in Trauer und Trennung gibt es durch die „süßen Lieder“ der Nacht Hoffnung und Trost.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen, die alle unterschiedlich lang sind. Die ersten beiden Strophen bestehen aus vier Versen, während die folgenden vier Strophen jeweils acht Verse enthalten. Jeder Vers besteht aus vier Hebungen und einer abwechselnden Anzahl von Senkungen, was dem Gedicht einen ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus verleiht. Die verwendeten Endreime (mit einer Mischform aus Paar- und Kreuzreimen) verleihen dem Gedicht zusätzlich einen harmonischen Klang. Die Sprache ist bildreich und lyrisch, was typisch für die Dichtung dieser Zeit ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass „Nachtstille“ von Robert Eduard Prutz ein lyrisches Gedicht ist, das die Schönheit und den Trost der Nacht betont und seine Leser dazu einlädt, die Magie der Natur zu erleben und sich von der Ruhe und Stille der Nacht verzaubern zu lassen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Nachtstille“ ist Robert Eduard Prutz. Prutz wurde im Jahr 1816 in Stettin geboren. Im Zeitraum zwischen 1832 und 1872 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 224 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Die Gedichte „Ein Menschenherz“, „Die Ozeaniden“ und „Heilge Nacht, auf Engelschwingen“ sind weitere Werke des Autors Robert Eduard Prutz. Zum Autor des Gedichtes „Nachtstille“ haben wir auf abi-pur.de weitere 10 Gedichte veröffentlicht.

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