Mir ist, als müßtest du empfinden von Franz von Dingelstedt

Mir ist, als müßtest du empfinden,
Wie oft ich dein, wie treu gedacht,
Als spräch' zu dir mit lauen Winden
Statt meiner jede Sommernacht,
Als läsest du in jedem Sterne
Mein Grüßen still und sehnsuchtsvoll;
Ich weiß ja nicht, wie deine Ferne
Ich anders je erreichen soll.
 
Es wälzt das Meer schon seine Wogen,
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Die blauen, zwischen dir und mir,
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Du bist zur Heimat fortgezogen,
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Ich steh' noch in der Fremde hier;
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Und übers Wasser, durch die Steppen
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Führt keine Brücke mich, kein Steg,
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Hoch über meiner Klage schleppen
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Sich bange Tage langsam weg.
 
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Vielleicht, daß du mich längst vergessen,
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Vielleicht, daß du mich längst erkannt,
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Vielleicht, daß andern unterdessen
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Dein Blick sich huldvoll zugewandt?
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Ich weiß es nicht; von Stund' zu Stunde
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In Zweifeln irr' ich scheu umher,
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Von dir kein Trost und keine Kunde,
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Für mich kein Bote übers Meer!
 
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Und doch den Grund soll nichts mir rauben,
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Den Ankergrund im Sturmgebiet;
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An meine Liebe will ich glauben,
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Die dich magnetisch an mich zieht;
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Du mußt sie fühlen, mußt sie ahnen,
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Mein Bild muß dir vor Augen stehn,
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Und so, trotz früh-zerriss'nen Bahnen,
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Weiß ich, daß wir uns wiedersehn!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Mir ist, als müßtest du empfinden“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
191
Entstehungsjahr
1814 - 1881
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht wurde von Franz von Dingelstedt verfasst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der zur Epoche des Biedermeier und des Realismus im 19. Jahrhundert gehört.

Das Gedicht erweckt auf den ersten Blick den Eindruck intensiver Sehnsucht und unerwiderten Gefühlen. Franz von Dingelstedt erzeugt durch kraftvolle Ausdrücke und Bilder eine Atmosphäre der melancholischen Liebe und der unerfüllten Hoffnungen.

Inhaltlich dreht sich das Gedicht um das lyrische Ich, das sich in einem Zustand der Trennung befindet. Es drückt seine tiefe Sehnsucht und Liebe aus und hofft darauf, dass seine Gefühle durch die Ferne hindurch wahrgenommen werden können, obwohl die geliebte Person weit entfernt ist. Es besteht eine große Unsicherheit, ob die Geliebte die Gefühle erwidert oder womöglich schon vergessen hat. Diese Unsicherheit und das Warten verursachen ein Gefühl der Verzweiflung und Leere.

Auf formaler Ebene besteht das Gedicht aus vier Strophen zu je acht Versen. Die Form ist also recht streng und symmetrisch, was dem Inhalt des Gedichts eine solide Struktur gibt. Die Sprache ist geprägt von starken Metaphern und poetischen Bildern, etwa den „Wogen“ des Meeres, welche die Distanz zwischen den Liebenden symbolisieren, oder der „Brücke“, welche fehlt, um die Distanz zu überbrücken.

Das Gedicht ist zudem in einer sehr emotionalen, fast melodramatischen Sprache verfasst. Es gibt viele Ausdrücke der Unsicherheit und Verzweiflung („Vielleicht, daß du mich längst vergessen“), aber auch der Hoffnung und des Glaubens („An meine Liebe will ich glauben“). So entsteht das Bild einer zutiefst empfindenden, leidenden, hoffenden, aber auch starken und hoffnungsvollen Persönlichkeit.

Insgesamt zeigt das Gedicht damit den inneren Konflikt einer Person, die sich in einer ungewissen, fernbezogenen Liebesbeziehung befindet und ihre Gefühle und Ängste ausdrückt. Es ist ein Ausdruck tiefer Sehnsucht und gleichzeitig ein Bekenntnis der Hoffnung und des unbeirrbaren Glaubens an die Liebe.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Mir ist, als müßtest du empfinden“ des Autors Franz von Dingelstedt. Geboren wurde Dingelstedt im Jahr 1814 in Halsdorf (Hessen). In der Zeit von 1830 bis 1881 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus oder Naturalismus zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 191 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Die Gedichte „Lied“ sind weitere Werke des Autors Franz von Dingelstedt. Zum Autor des Gedichtes „Mir ist, als müßtest du empfinden“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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