Idylle von Victor Blüthgen

Im Parke saß sie, auf schwellendem Moos,
Eine blühende Mutter, das Kind im Schoß;
Und ein andres sprang mit munt'rem Sinn
Unter Frühlingsblumen her und hin,
Und als es eine Handvoll gepflückt,
Trug's die zum Brüderchen frohbeglückt
Und neigte sich mit dem Blumengesicht
Kosend über den kleinen Wicht,
Welcher jauchzend mit täppischen Fingern
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Griff nach den bunten, zierlichen Dingern:
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Da in der Mutter leuchtendem Blick
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Sah ich dich, heiliges Mutterglück!
 
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Mitten im lachenden Frühlingsleben:
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In der Blättchen Flattern und Schweben,
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In dem Keimen und Knospenspringen,
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Falterwiegen und Vogelsingen
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Zwischen spielenden Sonnenblitzen
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Schien mir die zärtlich Beglückte zu sitzen
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Wie die ewige Mutter Natur
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Unter dem Kindervolk auf der Flur
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Aber da schweiften strahlend und stolz
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Ihre Augen durchs sprossende Holz,
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Und sie sprach mit lächelndem Munde:
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All ihr Blumen im grünen Grunde,
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Die ihr sucht in die Sonnenferne,
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All ihr offenen Augensterne
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Ach, was seid ihr blöd' und blinde
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Gegen die Äuglein von meinem Kinde,
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Gegen die tiefen, wonnigen, blauen,
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Welche munter in meine schauen!
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All ihr weichen, wohligen Lüfte
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Voller Maiblum- und Veilchendüfte
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Ach, was seid ihr mit eurem Streicheln
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Gegen seines Athems Schmeicheln!
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Tausendmal schöner das Lächeln sein,
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Als der lachendste Sonnenschein!
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Tausendmal lieber sein Schrei vor Glück,
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Als der Drossel süßestes Stück,
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Als der Grasmücke Wunderschall
40 
Und die Triller der Nachtigall!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Idylle“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
214
Entstehungsjahr
1844 - 1920
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Idylle“ stammt von Victor Blüthgen, einem deutschen Dichter, der von 1844 bis 1920 lebte. Der zeitliche Hintergrund ist folglich das 19. bis 20. Jahrhundert, eine Epoche, die unter anderem von der industriellen Revolution und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Wandel gezeichnet war.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht eine idyllische, fröhliche und ruhige Atmosphäre. Es handelt von einer Mutter, die in einem Park sitzt, ihr Baby im Armen hält, während ein älteres Kind in der Nähe spielt und Blumen pflückt. Der Fokus liegt auf der tiefen mütterlichen Liebe und Freude, die durch die Interaktion mit ihren Kindern entsteht.

Der Inhalt des Gedichts beschreibt einerseits Szenen des friedlichen Familienlebens und andererseits die Beobachtungen und Gedanken der Mutter. Sie stellt den unschuldigen Zauber und die natürliche Schönheit ihrer Kinder über alle anderen Erscheinungen der Natur. Dabei betont sie, dass der Anblick und die Liebe ihrer Kinder tausendmal schöner und wertvoller sind als jeglicher Frühlingssonnenschein oder Vogelgesang.

Formal besteht das Gedicht aus zwei umfangreichen Strophen mit jeweils 12 und 28 Versen. Der Autor verwendet ein einfaches, gut verständliches Vokabular und greift dabei auf lyrische Mittel wie Metaphern („Blumengesicht“, „Augensterne“, „Sonnenschein“) zurück. Durch diese bildhafte Sprache wird die Schönheit und Unschuld der Kinder sowie die tiefe mütterliche Liebe und Zufriedenheit eindrucksvoll dargestellt.

Insgesamt kann das Gedicht als Huldigung an die Mutterliebe und die Bedeutung des familiären Zusammenhalts in einer sich rasch verändernden Welt verstanden werden. Es stellt die Natürlichkeit des Kindesglücks und der mütterlichen Liebe als zeitlose Konstante dar, die über allen technologischen und sozialen Veränderungen steht. Victor Blüthgens „Idylle“ ist somit ein Plädoyer für die Bedeutung der Liebe und des familiären Zusammenhalts in einer immer komplexer werdenden Welt.

Weitere Informationen

Victor Blüthgen ist der Autor des Gedichtes „Idylle“. Im Jahr 1844 wurde Blüthgen in Zörbig geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1860 und 1920. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 214 Worte. Victor Blüthgen ist auch der Autor für Gedichte wie „Ach, wer doch das könnte!“, „Auf der Düne“ und „Schneckenlied“. Zum Autor des Gedichtes „Idylle“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de keine weiteren Gedichte vor.

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