Ein Abschied von Arno Holz
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Sein Freund, der Türmer, war noch wach, |
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Wie Silber gleißte das Rathausdach, |
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Und drüber stand der Mond. |
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Er wußte kaum, wie schwer er litt, |
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Doch schlug ihm das Herz bei jedem Schritt, |
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Und das Ränzel drückte ihn. |
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Die Gasse war so lang, so lang, |
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Und dazu noch die Stimme, die über ihm sang: |
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Wann's Mailüfterl weht! |
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Jetzt bog sich ein Fliederstrauch über den Zaun, |
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Und die Mutter Gottes, aus Stein gehau'n, |
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Stand weiß vor dem Domportal. |
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Hier stand er eine Weile still |
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Und hörte, wie eine Dohle schrill |
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Hoch oben ums Turmkreuz pfiff. |
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Dann löschte links in dem kleinen Ahaus |
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Der Löwenwirt seine Lichter aus, |
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Und die Domuhr schlug langsam zehn. |
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Die Brunnen rauschten wie im Traum, |
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Die Nachtigall schlug im Lindenbaum, |
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Und alles war sie sonst! |
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Da riß er die Rose sich aus dem Rock |
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Und stieß sie ins Pflaster mit seinem Stock, |
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Daß die Funken stoben, und ging. |
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Das Lämpchen flackerte rot überm Tor, |
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Und der Wald, in den sich sein Weg verlor, |
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Stand schwarz im Mondlicht da ... |
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Erst droben auf dem Heiligenstein |
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Fiel ihm noch einmal alles ein, |
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Als der Weg um die Buche bog. |
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Die Blätter rauschten, er stand und stand |
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Und sah hinunter unverwandt, |
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Wo die Dächer funkelten! |
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Dort stand der Garten und dort das Haus, |
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Und jetzt war das aus, und jetzt war das aus, |
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Und - die Dächer funkelten! |
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Sein Herz schlug wild, sein Herz schlug nicht fromm: |
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Wann i komm, wann i komm, wann i wiederkomm! |
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Doch er kam nie wieder. |
Details zum Gedicht „Ein Abschied“
Arno Holz
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1863 - 1929
Naturalismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Ein Abschied“ wurde von Arno Holz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Lyriker, der von 1863 bis 1929 lebte. Er gehört somit zur Epoche des Naturalismus, welche in der Literatur von etwa 1880 bis 1900 Bestand hatte.
Das Gedicht erzählt aus der Perspektive des lyrischen Ichs von seinen Gedanken und Gefühlen während eines Abschieds. Dieser Abschied findet in einer städtischen Kulisse statt, die von Details wie dem Mond über dem Rathausdach, dem Fliederstrauch, dem Domportal und den funkelnden Dächern gekennzeichnet ist. In vielen Zeilen spürt man die Schwere des Abschieds und die Traurigkeit des lyrischen Ichs. Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass das lyrische Ich die Stadt und sein altes Leben verlässt, und dieser Abschied scheint endgültig zu sein. Darauf deutet zum Beispiel die Rosenblüte hin, die es zornig auf den Boden wirft.
Das lyrische Ich bekundet seine Schmerzen und seine Sehnsucht, zurückzukehren („Wann i komm, wann i komm, wann i wiederkomm!“), aber auch die schmerzliche Erkenntnis, dass dies nie geschehen wird („Doch er kam nie wieder“). Es scheint, dass das lyrische Ich einen wichtigen Teil seines Lebens hinter sich lässt - ob es sich dabei um eine geliebte Person, einen vertrauten Ort oder einen Lebensabschnitt handelt, bleibt unklar.
Das Gedicht hat eine geregelte Struktur, jede Strophe besteht aus drei Versen. Der Versbau betont die Melancholie und das Nachdenkliche des Inhalts. Die verwendete Sprache ist relativ einfach und klar, mit eindrucksvollen Metaphern und lebendigen Beschreibungen, die das Bild einer nächtlichen Stadt hervorrufen. Es findet sich oft der Kontrast von Dunkelheit und Licht, was die zerrissenen Gefühle des lyrischen Ichs spiegelt. Besonders das wiederkehrende Motiv der funkelnden Dächer unterstreicht die Ambivalenz von Abschied und Erinnerung. Das Gedicht balanciert zwischen Sentimentalität und Bitterkeit, was die komplexe Natur des Gefühls des Abschieds widerspiegelt.
Weitere Informationen
Arno Holz ist der Autor des Gedichtes „Ein Abschied“. 1863 wurde Holz in Rastenburg, Ostpreußen geboren. Im Zeitraum zwischen 1879 und 1929 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Naturalismus zuordnen. Der Schriftsteller Holz ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 249 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 39 Versen. Arno Holz ist auch der Autor für Gedichte wie „In einem Garten“, „Rote Rosen“ und „Vor meinem Fenster“. Zum Autor des Gedichtes „Ein Abschied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 17 Gedichte veröffentlicht.
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