Welche Lust auf Erden denn ist süßer von Franz Werfel

Taucht nur, senkt nur eure wilden Fratzen
In mein reines fließendes Wesen!
Diese Seele brandzuschatzen,
Seid ihr alle, allesamt erlesen.
 
Märtyrer, gegrüßt, wollüstige Büßer!
Heil dem Busen durch und durch geschlagen!
Welche Lust auf Erden denn ist süßer,
Als verwundet werden und nichts sagen.
 
Komm, Verräter, daß ich dich erbose,
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Du mit müden Händen, list'ger Späher!
11 
Hier Gesicht und Brust!! Mit jedem Stoße
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Bin ich ja dem Tempo Gottes näher!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Welche Lust auf Erden denn ist süßer“

Autor
Franz Werfel
Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
70
Entstehungsjahr
1890 - 1945
Epoche
Expressionismus,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Franz Werfel, ein österreichischer Schriftsteller, der von 1890 bis 1945 lebte. Dieses Gedicht lässt sich zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnen, einer Epoche geprägt von großen politischen Umwälzungen und gesellschaftlichen Krisen.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr intensiv und emotional. Es geht um innere Kämpfe, Leid und Schmerz – aber auch um Freude und Erlösung.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Das lyrische Ich beschreibt, wie es sich in qualvolle Zustände stürzt und seine Seele selbst schändet. Trotz des offensichtlichen Schmerzes scheint es jedoch eine Art Freude, sogar Lust, am eigenen Leiden zu empfinden. Es begrüßt seine Peiniger, sieht sich selbst als Märtyrer und schildert das Erleben der Verletzungen ohne Widerspruch als intensives, sogar beglückendes Erlebnis. Es fordert den Verräter auf, weiter zuzuschlagen, und sieht in jeder Verwundung eine Annäherung an Gott.

Mit diesen Ausführungen scheint das lyrische Ich eine grundlegende menschliche Erfahrung zu thematisieren: den Widerspruch von Leid und Freude, von Schmerz und Lust. Es zeigt, wie tiefgreifende, sogar verzweifelte Erfahrungen einen Menschen paradoxerweise näher zu einer spirituellen oder göttlichen Erfahrung bringen können.

Das Gedicht besteht aus drei vierzeiligen Strophen, wobei die Verse zu einem durchgehenden Versfluss gehören. Die Sprache ist bildreich und emotional: Der Duktus ist teilweise anspruchsvoll, insbesondere durch die teils archaisch anmutenden Formulierungen („brandzuschatzen“, „wollüstige Büßer“), die für die damalige Zeit jedoch typisch waren. Auch die zum Teil aggressiven Worte („wilden Fratzen“, „Verräter“) verleihen dem Gedicht seine besondere Intensität.

Insgesamt zeigt das Gedicht eine sehr persönliche und einschneidende Erfahrung des lyrischen Ichs und dessen Versuch, durch Leid zu innerer Erlösung und Gotteserfahrung zu gelangen. Es ist eine intensive Auseinandersetzung mit menschlichen Gefühlen von Lust und Schmerz – und zeigt die paradoxen Erfahrungen und Emotionen, die dabei entstehen können.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Welche Lust auf Erden denn ist süßer“ ist Franz Werfel. Im Jahr 1890 wurde Werfel in Prag / Österreich-Ungarn geboren. Im Zeitraum zwischen 1906 und 1945 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Expressionismus oder Exilliteratur zugeordnet werden. Bei Werfel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk im Heimatland bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist politische oder religiöse Gründe den Ausschlag. Die Exilliteratur in Deutschland entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten Deutschlands in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oftmals konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in deutscher Sprache schreiben konnten, was im Ausland niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die thematischen Schwerpunkte in ihren Werken. Andere Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das 70 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Die Gedichte „Wir nicht“, „Gebet um Reinheit“ und „Sein und Treiben“ sind weitere Werke des Autors Franz Werfel. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Welche Lust auf Erden denn ist süßer“ weitere 22 Gedichte vor.

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