Wir nicht von Franz Werfel

Ich lauschte in die Krone des Baums; - da hieß es im Laub:
Noch - nicht!
Ich legte das Ohr an die Erde; - da klopft's unter Kraut und Staub:
Noch - nicht!
Ich sah mich im Spiegel; mein Spiegelbild grinste:
Du - nicht!
Das war mein Gericht.
Ich verwarf mein Lied,
Und das lüsterne Herz, das sich nicht beschied.
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Ich trat auf die Straße. Sie strömte schon abendlich.
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Auf der Stirne der Menschen fand ich das Wort: Wir nicht.
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Doch in allen Blicken las ich geheimnisvoll ein Lob,
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Und wußte: Auch ich, vom lauen Trug entstellt,
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Werde nochmals begonnen, weil neu ein Schoß mich hält
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Wie all dies Wesen um mich. Da lobte ich den Tod,
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Und weinend pries ich allen Samen in der Welt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Wir nicht“

Autor
Franz Werfel
Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
126
Entstehungsjahr
1890 - 1945
Epoche
Expressionismus,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wir nicht“ wurde von Franz Werfel verfasst, einem österreichisch-deutschen Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Exponent des Expressionismus lässt sich dieses spezielle Werk vermutlich in die Zeit vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs datieren, wahrscheinlich in die 1930er Jahre.

Der erste Eindruck des Gedichts ist ein tiefer, fast nachdenklicher, der das Thema der Vergänglichkeit und Neubeginn anzusprechen scheint. Das lyrische Ich erfährt auf vielfältige Weise, dass es „noch nicht“ an der Reihe ist, sei es durch das Laub eines Baumes, den Herzschlag der Erde oder sein eigenes Spiegelbild. Es scheint eine gewisse Frustration oder Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Zustand zu empfinden und sehnt sich nach einer Art von Transformation oder Wiedergeburt.

Der Inhalt des Gedichts zeigt die introspektive Reise des lyrischen Ichs, seine Konfrontation mit der Realität des Todes und der Vorstellung der Wiedergeburt. Es scheint Angst oder Vorbehalte gegenüber dem Tod zu haben, doch letztendlich kommt es zur Erkenntnis, dass der Tod nur ein Teil des Lebenszyklus ist, und dass durch den Tod neues Leben entstehen kann. Es feiert daher das Leben und den Tod gleichermaßen, und seine Worte am Ende des Gedichts, „weinend pries ich allen Samen in der Welt,“ zeigen seine Akzeptanz und Wertschätzung für diesen unausweichlichen Prozess.

In formaler Hinsicht handelt es sich um ein freies Gedicht, da es keinen standardmäßigen Reim- oder Metrumschema folgt. Die Sprache des Gedichts ist einfach und unprätentiös, aber gleichzeitig aussagekräftig und tiefgründig. Die Metaphern und Bilder, die Werfel verwendet, sind kraftvoll und anschaulich, sie geben dem Gedicht einen reverentiellen, fast spirituellen Ton. Auch ist bemerkenswert, dass das Gedicht rhythmisch ist, obwohl es nicht auf traditionelle metrische Formen angewiesen ist.

Das lyrische Ich in Werfels Gedicht macht eine Selbsterfahrung, erkundet seine Existenz und den Platz, den es in der Welt einnimmt. Suchend und fragend findet es schließlich Antworten in der unendlichen Regeneration des Lebens, die sowohl im Tod als auch in der Auferstehung ihren Ausdruck findet. Es ist eine tiefgründige, introspektive Reflektion über die menschliche Erfahrung mit existenziellen Themen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Wir nicht“ ist Franz Werfel. Der Autor Franz Werfel wurde 1890 in Prag / Österreich-Ungarn geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1906 bis 1945 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Expressionismus oder Exilliteratur zuordnen. Bei Werfel handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Exilliteratur wird die Literatur von Schriftstellern bezeichnet, die unfreiwillig Zuflucht im Ausland suchen müssen, weil ihre Person oder ihr Werk in ihrer Heimat bedroht sind. Für die Flucht ins Exil geben meist religiöse oder politische Gründe den Ausschlag. Die Exilliteratur in Deutschland entstand in den Jahren von 1933 bis 1945 als Literatur der Gegner des Nationalsozialismus. Dabei spielten zum Beispiel die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 und der deutsche Überfall auf die Nachbarstaaten in den Jahren 1938/39 eine ausschlaggebende Rolle. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind typisch für diese Epoche der Literatur. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Realismus und Expressionismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 126 Worte. Die Gedichte „Gebet um Reinheit“, „Sein und Treiben“ und „Was ein Jeder sogleich nachsprechen soll“ sind weitere Werke des Autors Franz Werfel. Zum Autor des Gedichtes „Wir nicht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 22 Gedichte vor.

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