Abschied von Ada Christen

Und als ich fortgezogen,
Hab' ich in der letzten Nacht
Der Straße, wo er wohnte,
Eine Abschiedsvisite gemacht.
 
Hab' angesehen die Steine,
Die oft sein Fuß betritt,
Und dachte, wär' ich reich,
Ich nähme sie alle mit.
 
Ich kam zu seinem Hause
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Und wußte selbst nicht wie,
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Und hin bis an das Thor
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Dort sank ich in die Knie'.
 
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Und sah empor zum Fenster
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Und hab' es schmerzlich gegrüßt;
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Ich habe mit heißer Lippe
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Die Stufen am Thore geküßt.
 
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Ja selbst die kalte Mauer
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Berührte mein brennender Mund;
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Doch hielt ich zitternd inne,
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Denn an mich hinan sprang sein Hund.
 
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Und er stand hinter mir;
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Ich sah ihn schweigend an.
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Da fragte er mich lächelnd,
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Was ich denn hier gethan?
 
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Dies Lächeln war vernichtend,
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Ich rang nach einem Wort;
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Dann sagte ich kaum hörbar:
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»Herr, morgen geh' ich fort.«
 
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Und abermals dies Lächeln,
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Das mich so elend gemacht:
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»Ich wünsche glückliche Reise
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Und mithin gute Nacht.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Abschied“

Autor
Ada Christen
Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
156
Entstehungsjahr
1839 - 1901
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von der Autorin Ada Christen, die von 1839 bis 1901 lebte. Ihre Werke fallen in die Zeit des Realismus und Naturalismus.

Auf den ersten Blick handelt es sich bei dem Gedicht „Abschied“ um eine innige und emotionale Begegnung, die von Sehnsucht und später Vernichtung geprägt ist. Es scheint die schmerzvolle Trennung zwischen dem lyrischen Ich und einer anderen Person zu thematisieren.

Im Gedicht wird der schmerzvolle Abschied beschrieben. Das lyrische Ich besucht in der Nacht vor ihrer Abreise die Straße und das Haus, in dem die geliebte Person lebt. Sie betrachtet die Steine des Weges, die oft von seinem Fuß betreten wurden, und wünscht, sie könnte sie alle mitnehmen. Sie kniet vor dem Haus und küsst sogar die Stufen und die Mauer, bevor sie von seinem Hund unterbrochen wird. Der Geliebte erscheint und fragt sie, was sie hier mache. Möglicherweise demütigend antwortet sie, dass sie am nächsten Tag abreise, woraufhin er ihr nur eine glückliche Reise und eine gute Nacht wünscht.

Inhaltlich spiegelt das Gedicht intensive Emotionen und das Gefühl des Verlusts wider. Das lyrische Ich drückt deutlich seine Liebe und Sehnsucht aus. Die körperliche Nähe zu den Gegenständen, die der Geliebte berührt hat – die Steine, die Stufen, die Mauer – versucht das lyrische Ich zu trösten und sorgt für eine Nähe, die es sonst nicht mehr haben wird. Die Reaktion des Geliebten – sein Lächeln und seine distanzierte Höflichkeit – machen deutlich, dass seine Gefühle nicht denen des lyrischen Ichs entsprechen und erhöhen dessen Gefühl von Einsamkeit und Verlust.

Die Form des Gedichts ist strophisch, mit acht Viererversen. Die verwendete Sprache ist klar und einfach, ohne metaphorische oder symbolische Komplikationen, was dazu beiträgt, die direkte und rohe Emotionalität des Gedichts zu verstärken.

Zusammenfassend kann man sagen, dass „Abschied“ ein bitter-süßes Gedicht ist, das die tragische Diskrepanz zwischen der leidenschaftlichen Hingabe des lyrischen Ichs und der kühlen Zurückhaltung des Geliebten einfängt. Es spielt mit Themen wie Liebe, Verlust und Einsamkeit in einer tiefgreifenden und emotionalen Weise.

Weitere Informationen

Die Autorin des Gedichtes „Abschied“ ist Ada Christen. Christen wurde im Jahr 1839 in Wien geboren. In der Zeit von 1855 bis 1901 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 156 Worte. Weitere Werke der Dichterin Ada Christen sind „Abendbild“, „Allein!“ und „Alte Feinde“. Zur Autorin des Gedichtes „Abschied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 81 Gedichte veröffentlicht.

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