1649-1793-???? von Heinrich Heine

Die Briten zeigten sich sehr rüde
Und ungeschliffen als Regizide.
Schlaflos hat König Karl verbracht
In Whitehall seine letzte Nacht.
Vor seinem Fenster sang der Spott
Und ward gehämmert an seinem Schafott.
 
Viel höflicher nicht die Franzosen waren.
In einem Fiaker haben diese
Den Ludwig Capet zum Richtplatz gefahren;
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Sie gaben ihm keine Calèche de Remise,
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Wie nach der alten Etikette
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Der Majestät gebühret hätte.
 
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Noch schlimmer erging's der Marie Antoinette,
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Denn sie bekam nur eine Charrette;
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Statt Chambellan und Dame d'Atour
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Ein Sansculotte mit ihr fuhr.
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Die Witwe Capet hob höhnisch und schnippe
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Die dicke habsburgische Unterlippe.
 
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Franzosen und Briten sind von Natur
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Ganz ohne Gemüt; Gemüt hat nur
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Der Deutsche, er wird gemütlich bleiben
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Sogar im terroristischen Treiben.
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Der Deutsche wird die Majestät
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Behandeln stets mit Pietät.
 
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In einer sechsspännigen Hofkarosse,
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Schwarz panaschiert und beflort die Rosse,
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Hoch auf dem Bock mit der Trauerpeitsche
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Der weinende Kutscher - so wird der deutsche
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Monarch einst nach dem Richtplatz kutschiert
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Und untertänigst guillotiniert.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „1649-1793-????“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
163
Entstehungsjahr
1797 - 1856
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „1649-1793-????“ stammt von dem bedeutenden deutschen Dichter Heinrich Heine, der von 1797 bis 1856 lebte. Seine Schaffensperiode umfasst unter anderem die Epoche der Romantik, wobei er auch satirische und gesellschaftskritische Elemente in seine Arbeiten einfließen ließ.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sehr historisch und politisch. Es nimmt Bezug auf historische Ereignisse und Personen und verknüpft diese mit einer kritischen Betrachtung des zeitgenössischen Deutschland.

Im Inhalt geht es um die Haltung verschiedener Nationen - speziell die Briten, die Franzosen und die Deutschen - gegenüber ihren Monarchen während revolutionärer Zeiten. In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich die gewaltsamen Ereignisse im England des 17. Jahrhunderts, als König Karl I. gestürzt und hingerichtet wurde. In der zweiten und dritten Strophe stehen die Französische Revolution und die Hinrichtung von König Ludwig XVI. und Königin Marie Antoinette im Fokus. Die Briten und Franzosen werden dabei als rücksichtslos und respektlos gegenüber dem Adel dargestellt. In den letzten beiden Strophen kontrastiert das lyrische Ich diese Beispiele mit der vermuteten Haltung der Deutschen, die, obwohl sie sich ebenfalls gegen den Adel auflehnen könnten, ihrer Majestät mit Pietät begegnen würden auch in einer revolutionären Situation.

Heines Gedicht ist geprägt durch Ironie und satire. Er nutzt die britische und französische Geschichte, um eine Satire auf die deutsche Mentalität und revolutionäre Unentschlossenheit zu konstruieren. Die wiederholte Verwendung der Worte „Gemüt“ und „gemütlich“ lässt eine gewisse Verächtlichkeit für diese „deutsche“ Tugend erkennen, die aus Heines Sicht die politische und soziale Fortentwicklung im damaligen Deutschland behindern könnten.

Formal ist das Gedicht in fünf Strophen mit je sechs Versen unterteilt. Die Sprache ist eher umgangssprachlich und spöttisch, mit ironischen Anspielungen auf Etikette und gesellschaftliche Normen. Hierdurch erreicht Heine eine satirische und humorvolle Wirkung. Insgesamt ist das Gedicht eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Geisteshaltung Anfang des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Das Gedicht „1649-1793-????“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1813 bis 1856 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 163 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 30 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Heinrich Heine sind „Als ich, auf der Reise, zufällig“, „Alte Rose“ und „Altes Lied“. Zum Autor des Gedichtes „1649-1793-????“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.

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