Belsatzar von Heinrich Heine
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Die Mitternacht zog näher schon; |
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In stummer Ruh lag Babylon. |
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Nur oben, in des Königs Schloß, |
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Da flackert’s, da lärmt des Königs Troß, |
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Dort oben, in dem Königssaal, |
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Belsatzar hielt sein Königsmahl. |
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Die Knechte saßen in schimmernden Reih’n, |
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Und leerten die Becher mit funkelndem Wein. |
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Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht’; |
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So klang es dem störrigen Könige recht. |
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Des Königs Wangen leuchten Glut; |
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Im Wein erwuchs ihm kecker Muth. |
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Und blindlings reißt der Muth ihn fort; |
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Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort. |
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Und er brüstet sich frech, und lästert wild; |
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Die Knechtenschaar ihm Beifall brüllt. |
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Der König rief mit stolzem Blick; |
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Der Diener eilt und kehrt zurück. |
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Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt; |
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Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt. |
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Und der König ergriff mit frevler Hand |
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Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand’. |
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Und er leert ihn hastig bis auf den Grund, |
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Und rufet laut mit schäumendem Mund: |
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Jehovah! dir künd’ ich auf ewig Hohn, – |
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Ich bin der König von Babylon! |
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Doch kaum das grause Wort verklang, |
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Dem König ward’s heimlich im Busen bang. |
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Das gellende Lachen verstummte zumal; |
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Es wurde leichenstill im Saal. |
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Und sieh! und sieh! an weißer Wand |
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Da kam’s hervor wie Menschenhand; |
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Und schrieb, und schrieb an weißer Wand |
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Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand. |
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Der König stieren Blicks da saß, |
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Mit schlotternden Knien und todtenblaß. |
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Die Knechtenschaar saß kalt durchgraut, |
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Und saß gar still, gab keinen Laut. |
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Die Magier kamen, doch keiner verstand |
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Zu deuten die Flammenschrift an der Wand. |
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Belsatzar ward aber in selbiger Nacht |
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Von seinen Knechten umgebracht. |
Details zum Gedicht „Belsatzar“
Heinrich Heine
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267
1817–1821
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Belsatzar“, von Heinrich Heine, wurde 1827 veröffentlicht. Es handelt sich um ein Werk der Spätromantik, wobei Heine einer der bekanntesten Dichter dieser Epoche ist.
Bereits beim allerersten Lesen wird offensichtlich, dass das Gedicht in einer sehr eindringlichen und dramatischen Weise geschrieben ist. Es erzählt eine Geschichte von Hochmut und Gotteslästerung, die letztendlich in Tragödie endet.
Das Gedicht erzählt, in einfacheren Worten, die Geschichte des Königs Belsatzar von Babylon, der eine rauschende Party gibt, während die Stadt ruhig und still ist. Bei dem Festmahl, geleitet vom Alkohol und von der eigenen Arroganz, entweiht der König heilige Gegenstände aus dem Tempel Jehovas. Er greift nach einem heiligen Becher und trinkt daraus, während er den Gott verhöhnt und sich als König von Babylon verkündet. Aber bald nach seiner Gotteslästerung erscheint eine menschliche Hand und schreibt mit Flammenbuchstaben eine Botschaft an die Wand des Saals. Niemand kann die Botschaft interpretieren. In der gleichen Nacht wird der König von seinen eigenen Dienern ermordet.
Die Hauptbotschaft des Gedichts ist die Darstellung des stolzen und überheblichen Königs Belsatzar. Heine kritisiert das gottlose und respektlose Verhalten des Königs: sein Hochmut führt zu seinem Fall. Das lyrische Ich übernimmt dabei die Rolle des Erzählers und kommentiert die Ereignisse neutral.
Das Gedicht besteht aus zweiundzwanzig Paar-Strophen mit jeweils zwei Versen. Der Reim ist dabei meistens männlich, manchmal auch weiblich. Der Rhythmus ist fließend und unterstützt damit das narrative Element der Dichtung. Auf sprachlicher Ebene benutzt Heine eine sehr bildhafte und expressive Sprache, um die Szene lebendig zu gestalten und die Emotionen des Königs und die gespenstische Atmosphäre im Saal zu unterstreichen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Belsatzar“ eine moralische Warnung vor Stolz und Gotteslästerung darstellt. Durch seine einprägsame Sprache und seinen dramatischen Rhythmus schafft Heine hierbei eine nachhaltige Wirkung beim Leser und leistet einen wichtigen Beitrag zur Literatur der Spätromantik.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Belsatzar“ des Autors Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. 1821 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Hamburg. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 21 Strophen und umfasst dabei 267 Worte. Weitere Werke des Dichters Heinrich Heine sind „Altes Lied“, „Am Golfe von Biskaya“ und „Am Kreuzweg wird begraben“. Zum Autor des Gedichtes „Belsatzar“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 535 Gedichte vor.
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