Die Kopfarbeit von Heinrich Seidel

Sonnabend ist's am vormittag,
Der Pastor geht und spintisiertr
Denkt über seine Predigt nach
Und raucht und raucht und meditiert
Und wie sich alles schon gestaltet,
Allmählich rundet und entfaltet,
Steht seine kleine Tochter da:
"Gieb mir ein Bilderbuch, Papa!"
 
Der Pastor hört's mit halbem Ohr,
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Zieht aus dem Bort ein Buch hervor.
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Die Kleine bittet weiter noch:
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"Nun zeige mir die Bilder doch!"
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"Damit lass heute mich in Ruh,
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Ich habe keine Zeit dazu!"
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"Was thust du denn?" so spricht das Kind,
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Fraglustig, wie die Mädchen sind.
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"Ich steck' in Arbeit überaus!
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Lass mich allein und geh hinaus!"
 
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Die Kleine kann das nicht kapieren:
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"Du gehst doch immer nur spazieren
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Und guckst dann in den Rauch hinein,
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Das kann doch keine Arbeit sein!"
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"Ei, das verstehst du nicht, mein Kind,
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Du kleiner naseweiser Tropf;
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Ich thu die Arbeit mit dem Kopf."
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"Ach," spricht die Kleine ganz geschwind,
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"Ach, mit dem Kopf, nun weiss ich's ja,
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Ich seh es doch: Du rauchst, Papa!"
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Die Kopfarbeit“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
163
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das behandelte Gedicht stammt von dem deutschem Ingenieur und Dichter Heinrich Seidel und wurde wahrscheinlich im ausgehenden 19. oder frühen 20. Jahrhundert verfasst. Anhand des ersten Eindrucks lässt sich bereits eine humorvolle Stimmung feststellen, die durch die neugierige und etwas freche Tochter des Pastors entsteht.

Der Inhalt des Gedichtes lässt sich einfach zusammenfassen: Ein Pastor bereitet sich auf seine kommende Predigt vor, indem er in Ruhe sitzt, raucht und nachdenkt - er „spintisiert“. Dieser Vorgang wird von seiner Tochter unterbrochen, die ihre Zeit scheinbar lieber mit einem Bilderbuch verbringen möchte. Der Pastor weist sie jedoch ab, mit der Begründung, dass er keine Zeit habe und gerade „Arbeit mit dem Kopf“ verrichten würde. Daraufhin erklärt das Mädchen frech, dass sie nun verstehe, denn die „Arbeit mit dem Kopf“ scheint für sie im Rauchen zu bestehen.

Das lyrische Ich in diesem Gedicht ist der Erzähler, der die Handlung aus einer neutralen und objektiven Perspektive darstellt. Aus der Perspektive des Erzählers wird dem Leser ein humorvoller und satirischer Einblick in die Beziehung zwischen Vater und Tochter sowie das alltägliche Familienleben gegeben. Die Botschaft des Gedichtes könnte dabei sein, dass kreative oder gedankliche Arbeit oft von Außenstehenden unterschätzt wird - in diesem Fall von der Tochter. Ironischerweise deutet die letzte Äußerung des Mädchens aber auch daraufhin, dass die „Arbeit“ des Pastors möglicherweise wirklich nur aus Rauchen besteht.

Das Gedicht ist in Reimform verfasst und in drei Strophen unterteilt. Jede Strophe hat eine unterschiedliche Versanzahl, wodurch ein gewisser Rhythmus entsteht. Die Sprache ist einfach und verständlich gehalten, was die humorvolle und leichte Atmosphäre des Gedichts unterstützt. Besonders prägnant sind die humorvollen Dialoge zwischen Vater und Tochter, die das Geschehen lebhaft und anschaulich darstellen. Seidel verwendet hierbei alltägliche und umgangssprachliche Ausdrücke, die das familiäre und vertraute Verhältnis zwischen Vater und Tochter widerspiegeln.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Kopfarbeit“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Seidel. Im Jahr 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1858 bis 1906 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 163 Worte. Der Dichter Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Meine Puppe kriegst du nicht!“, „Hänschen auf der Jagd“ und „Die Gaben“. Zum Autor des Gedichtes „Die Kopfarbeit“ haben wir auf abi-pur.de weitere 216 Gedichte veröffentlicht.

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