Dilettant und Kritiker von Johann Wolfgang von Goethe

Es hatt ein Knab eine Taube zart,
Gar schön von Farben und bunt,
Gar herzlich lieb, nach Knabenart,
Geätzet aus seinem Mund
Und hatte so Freud am Täubchen sein,
Daß er nicht konnte sich freuen allein.
 
Da lebte nicht weit ein Alt-Fuchs herum,
Erfahren und lehrreich und schwätzig darum;
Der hatte den Knaben manch Stündlein ergetzt,
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Mit Wundern und Lügen verprahlt und verschwätzt.
 
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»Muß meinem Fuchs doch mein Täubelein zeigen!«
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Er lief und fand ihn strecken in Sträuchen.
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»Sieh, Fuchs, mein lieb Täublein, mein Täubchen so schön!
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Hast du dein' Tag' so ein Täubchen gesehn?«
 
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»Zeig her!« - Der Knabe reicht's. - »Geht wohl an;
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Aber es fehlt noch, manches dran.
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Die Federn, zum Exempel, sind zu kurz geraten.«
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Da fing er an, rupft' sich den Braten.
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Der Knabe schrie. - »Du mußt stärkre einsetzen,
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Sonst ziert's nicht, schwinget nicht.«
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Da war's nackt - Mißgeburt! - und in Fetzen.
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Dem Knaben das Herze bricht.
 
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Wer sich erkennt im Knaben gut,
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Der sei vor Füchsen auf seiner Hut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Dilettant und Kritiker“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
167
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Dilettant und Kritiker“ des Autors Johann Wolfgang von Goethe. 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1765 bis 1832 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Die Literaturepoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Bei den Autoren handelte es sich meist um junge Schriftsteller. Meist waren sie unter 30 Jahre alt. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die traditionellen Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und endete mit Goethes Tod im Jahr 1832. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Zu den essenziellen Motiven der Klassik gehören unter anderem Menschlichkeit und Toleranz. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik charakteristisch. Während man in der Epoche des Sturm und Drangs die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die bedeutendsten Schriftsteller der Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Andere bekannte Schriftsteller der Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten aber jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Goethe und Schiller.

Das vorliegende Gedicht umfasst 167 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An Annetten“, „An Belinden“ und „An Lida“. Zum Autor des Gedichtes „Dilettant und Kritiker“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1617 Gedichte vor.

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