Erinnerung von Johann Christian Günther
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Wo ist die Zeit, die goldene Zeit, |
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wo sind die süßen Stunden, |
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worin ich von der Eitelkeit |
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noch wenig Gram empfunden? |
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Ich war ein Kind, ich trieb mein Spiel, |
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das selbst der Unschuld wohl gefiel, |
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und durft an keinem Morgen |
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vor Kleid und Nahrung sorgen. |
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Von Fabeln bei der Rockenzunft |
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empfand ich mehr Vergnügen |
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als jetzt von Schlüssen der Vernunft, |
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in welchen Knoten liegen; |
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ja, wenn mir auf der Ofenbank |
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ein Lied vom deutschen Kriege klang, |
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so schien die alte Grete |
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mein künstlichster Poete. |
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Die Nachbarskinder ließen mir |
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die Ehre, sie zu lenken; |
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da spielt', und lacht' und sprungen wir |
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auf Rasen, Berg' und Bänken |
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was dieser hört und jener sah, |
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das in der großen Welt geschah, |
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das sucht auch ich mit vielen |
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im kleinen nachzuspielen. |
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Jetzt lern ich leider allzu früh |
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des Lebens Elend kennen; |
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es ist doch nichts als Wind und Müh', |
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wonach wir sehnlich rennen. |
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Es gaukeln Reichtum, Stand und Kunst, |
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die Wohllust macht nur blauen Dunst, |
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und was wir so begehren, |
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muß allzeit Reu' gebähren. |
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Mein eignes Kreuz ist überhaupt |
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ein Bündnis aller Schmerzen |
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und geht mir, weil es niemand glaubt, |
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empfindlich tief zu Herzen. |
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Ach, Himmel, mindre meine Qual! |
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Wo nicht, so laß mich doch einmal |
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nur eine Gunst erwerben |
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und mehre sie zum Sterben. |
Details zum Gedicht „Erinnerung“
Johann Christian Günther
5
40
210
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Erinnerung“ des Autors Johann Christian Günther. Der Autor Johann Christian Günther wurde 1695 in Striegau geboren. In der Zeit von 1711 bis 1723 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die Literaturepoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis ungefähr 1720. Diesen Zeitraum kann man in drei weitere Abschnitte unterteilen: Früh-, Hoch- und Spätbarock. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wurden große Teile des Deutschen Reiches zerstört. Die Menschen der damaligen Zeit, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Hof und Provinz geprägt, litten folglich unter den katastrophalen Kriegseinwirkungen. Viele Menschen starben an den Folgen der Pest und des Krieges. Die Epoche des Barocks wurde davon stark beeinflusst. Es herrschte zu Zeiten des Barock ein antithetisches Weltbild. Verschwendung und Luxus im Leben des Adels standen Leid und Armut innerhalb der einfachen Bevölkerung gegenüber. Die Literatur war ebenso geprägt von inhaltlichen Widersprüchen. Diesseits und Jenseits standen sich ebenso gegenüber wie Ernst und Spiel oder etwa Sein und Schein. Die Dichter der Renaissance nutzten noch die lateinische Sprache, die Autoren des Barock begannen, ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Zu den bedeutendsten Lyrikern des Barocks gehören: Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Paul Fleming und Caspar Ziegler.
Das vorliegende Gedicht umfasst 210 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Weitere Werke des Dichters Johann Christian Günther sind „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“, „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“ und „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“. Zum Autor des Gedichtes „Erinnerung“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.
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- Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest
- Warum man mich in keiner Kirche sieht?
- Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht
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- Ich will lachen, ich will scherzen
Zum Autor Johann Christian Günther sind auf abi-pur.de 264 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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