Seefahrt von Johann Wolfgang von Goethe
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Lange Tag' und Nächte stand mein Schiff befrachtet; |
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günst'ger Winde harrend, saß mit treuen Freunden, |
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mir Geduld und guten Mut erzechend, |
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ich im Hafen. |
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Und sie waren doppelt ungeduldig: |
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„Gerne gönnen wir die schnellste Reise, |
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gern die hohe Fahrt dir; Güterfülle |
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wartet drüben in den Welten deiner, |
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wird Rückkehrendem in unsern Armen |
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Lieb' und Preis dir." |
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Und am frühen Morgen ward's Getümmel, |
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und dem Schlaf entjauchzt uns der Matrose, |
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alles wimmelt, alles lebet, webet, |
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mit dem ersten Segenshauch zu schiffen. |
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Und die Segel blühen in dem Hauche, |
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und die Sonne lockt mit Feuerliebe; |
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ziehn die Segel, ziehn die hohen Wolken, |
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jauchzen an dem Ufer alle Freunde |
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Hoffnungslieder nach, im Freudentaumel |
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Reisefreuden wähnend, wie des Einschiffmorgens, |
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wie der ersten hohen Sternennächte. |
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Aber gottgesandte Wechselwinde treiben |
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seitwärts ihn der vorgestreckten Fahrt ab, |
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und er scheint sich ihnen hinzugeben, |
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strebet leis sie zu überlisten, |
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treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege. |
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Aber aus der dumpfen, grauen Ferne |
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kündet leise wandelnd sich der Sturm an, |
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drückt die Vögel nieder aufs Gewässer, |
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drückt der Menschen schwellend Herz darnieder. |
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Und er kommt. Vor seinem starren Wüten |
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streckt der Schiffer klug die Segel nieder; |
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mit dem angsterfüllten Balle spielen |
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Wind und Wellen. |
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Und an jenem Ufer drüben stehen |
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Freund' und Lieben, beben auf dem Festen: |
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„Ach, warum ist er nicht hiergeblieben! |
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Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glücke! |
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Soll der Gute so zugrunde gehen? |
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Ach, er sollte? Ach, er könnte? Götter!" |
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Doch er stehet männlich an dem Steuer: |
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Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen, |
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Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen. |
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Herrschend blickt er auf die grimme Tiefe |
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und vertrauet, scheiternd oder landend, |
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seinen Göttern. |
Details zum Gedicht „Seefahrt“
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1749 - 1832
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Seefahrt“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Wolfgang von Goethe. Im Jahr 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1765 bis 1832 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die traditionellen Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.
Zwei sich deutlich unterscheidende Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und endete mit dem Tod von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1832. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind häufig verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. Von zentraler Bedeutung für die Zeit der Klassik ist der Begriff Humanität. Toleranz, Menschlichkeit, Schönheit, Selbstbestimmung und Harmonie sind wichtige inhaltliche Merkmale der Klassik. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Darüber hinaus verwendeten die Autoren jener Zeit eine pathetische, gehobene Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik betrachtet werden. Aber nur Schiller und Goethe motivierten und inspirierten einander durch enge Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.
Das 272 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 46 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An die Entfernte“, „An die Günstigen“ und „An einen jungen Prahler“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Seefahrt“ weitere 1617 Gedichte vor.
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Zum Autor Johann Wolfgang von Goethe sind auf abi-pur.de 1617 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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