An Selenen, als er ihr Kräuterthee schickte von Johann Christian Günther

Selene, was mich stets ergözt,
Das ist die Freyheit, dir zu dienen,
Und was ich hier auch aufgesezt,
Entdeckt ein wohlgemeint Erkühnen.
Die Kranckheit, so dir jezo droht,
Erschröckt mich ärger als du denckest;
Doch, wo du mir Erhörung schenckest,
So hat der Anstoß keine Noth.
 
Ich weis es zwar, dein hoher Geist
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Vermag sich allemahl zu faßen,
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Und wie sein Wesen himmlisch heist,
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So kan er leicht die Welt verlaßen;
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Allein du kanst zu jeder Zeit
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Noch früh genug zum Engel werden,
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Und also gönne doch der Erden
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Den Schmuck von deiner Seltenheit.
 
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Bedencke doch nur den Verlust,
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Wofern ein früh Verhängnüß wollte,
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Daß so viel Schönheit kluger Brust
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In besten Jahren sterben sollte!
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Las die getrost zur Grube gehn,
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Die Freude, Wiz und Muth verlieren;
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Du solt hinfort von neuem spüren,
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Wie artig frische Myrthen stehn.
 
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Du bist ja sonst so sehr bemüht,
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Dich nett und kostbar anzukleiden;
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Denn wenn dich deines gleichen sieht,
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So hört und sieht man dich beneiden;
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Jedoch bey aller dieser Tracht,
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Du magst sie noch so schön ergründen,
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Ist doch kein beßer Kleid zu finden
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Als was dir die Natur gemacht.
 
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Trag Sorge vor den schönen Leib
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In Arbeit, Speisen, Luft und Wachen
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Und nimm bequemen Zeitvertreib,
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Ihn weder faul noch schwach zu machen.
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Fleuch Salz und Eßig als das Gift,
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Bezwinge Zorn, Verdruß und Schröcken
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Und las dich niemahls eh erwecken,
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Als bis dein Ohr die Stunde trift.
 
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Verzeih, Selene, meiner Hand,
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Sie schreibt nur kurze Grundgeseze,
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Damit kein größer Übelstand
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Der schönen Glieder Bau verleze.
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Sechs Wochen las dies Thee nicht ruhn;
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Mein Wuntsch hat Kräfte beygetragen,
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Ich weis, du wirst in kurzem sagen:
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Kan Waßer solche Dinge thun?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „An Selenen, als er ihr Kräuterthee schickte“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
278
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „An Selenen, als er ihr Kräuterthee schickte“ ist Johann Christian Günther. 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Im Zeitraum zwischen 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des Barock folgt auf die Epoche der Renaissance und des Humanismus und umfasst den Zeitraum von etwa 1600 bis 1720. Der Begriff leitet sich von dem portugiesischen Wort „barocco“ ab. Der Begriff stammt aus der Juweliersprache und bedeutet „seltsam geformte, schiefrunde Perle“. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte das Deutsche Reich einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel der Bevölkerung verlor in jener Zeit ihr Leben. Doch waren nicht etwa hohe Kriegsverluste dafür verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in fast allen Städten des Deutschen Reiches. Es herrschte in der Epoche des Barocks ein antithetisches Weltbild. Luxus und Verschwendung des Adels standen Leid und Armut innerhalb der einfachen Bevölkerung gegenüber. Die Literatur im Barock war ebenso geprägt von thematischen Widersprüchen. Jenseits und Diesseits standen sich ebenso gegenüber wie Ernst und Spiel oder etwa Sein und Schein. Die Epoche des Barocks stellte einen Wandel von lateinischer zu deutschsprachiger Literatur dar. Die wichtigste Literaturform der Epoche war dabei die Lyrik. Das Sonett war die häufigste Gedichtform, die genutzt wurde. Herausragende Autoren für die Zeit des Barocks waren: Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Andreas Gryphius, Christian Weise und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 278 Worte. Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Was man von galanten Kindern“, „Ich will lachen, ich will scherzen“ und „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“. Zum Autor des Gedichtes „An Selenen, als er ihr Kräuterthee schickte“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.

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