An Leonoren von Johann Christian Günther
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Ach Kind, verschone mich in dir |
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Und las mich unbetrübt von hier! |
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Was quälstu dich mit so viel Thränen? |
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Es sind die Kräfte meiner Brust. |
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Ach, hastu denn bey so viel Sehnen |
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Noch gar zu meiner Ohnmacht Lust? |
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Ich bin wohl so genug geplagt, |
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Verfolgt, verleumdet und verjagt, |
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Und du wilst noch die Angst verstärcken? |
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Was Günther fühlt, das weis sein Herz, |
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Ich las es kaum die Hälfte mercken, |
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Sonst macht ich dir noch schärfern Schmerz. |
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Du bist ja meiner Treu gewis, |
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Dies ist ein Band vor diesen Riß, |
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An dem die Hofnung auch schon heilet. |
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Ach, mildre doch nur den Verdruß, |
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Dieweil die Zeit, so jezo theilet, |
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Uns endlich wieder binden muß. |
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Gesezt, du würdest ungetreu, |
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Wovor doch Glück und Himmel sey, |
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Ich könte dich unmöglich haßen; |
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Mir wär es zwar die ärgste Pein. |
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Hat sie dich, dächt ich, doch verlaßen, |
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Will ich um desto treuer seyn. |
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Ich weis, man tadelt mich darum; |
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Der schilt mich weibisch, jener tumm. |
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Die Großmuth adelt mein Gemüthe, |
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Und daß ich zärtlich lieben kan, |
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Das nehm ich von des Schöpfers Güte |
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Wohl vor die gröste Wohlthat an. |
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Sey arm, verlaßen und veracht, |
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Verliere, was gefällig macht, |
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Las Zahn und Farb und Jugend schwinden, |
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Du bleibst in meinen Augen schön |
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Und solt sie allemahl entzünden, |
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So lange sie noch ofen stehn. |
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Ein Augenblick der süßen Zeit, |
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In welchem mich dein Scherz erfreut, |
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Gilt mehr als alle Freudenfeste, |
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Wo Dresden, jezt die halbe Welt, |
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Das Herz der hohen Hochzeitgäste |
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Mit tausend Wollust unterhält. |
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Der Frühling ist nun nicht mehr weit; |
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Spazier in grüner Einsamkeit |
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In euren schönen Erlengängen |
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Und denck in allem Ungemach, |
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So sehr dich Neid und Freunde drängen, |
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Den oft gegebnen Lehren nach. |
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Dort soll der jungen Vögel Schreyn |
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Die Botschaft meiner Sehnsucht seyn, |
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Und scherzt der West mit Kleid und Wangen, |
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So wiß und glaube sicherlich: |
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Er meldet dir mein heiß Verlangen |
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Und küst dich tausendmahl vor mich. |
Details zum Gedicht „An Leonoren“
Johann Christian Günther
9
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316
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An Leonoren“ des Autors Johann Christian Günther. Im Jahr 1695 wurde Günther in Striegau geboren. In der Zeit von 1711 bis 1723 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die europäische Stilepoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die wir heute als Barock bezeichnen, leitet sich aus dem Portugiesischen ab. Das portugiesische Wort stammt ursprünglich aus dem Juwelierhandwerk und heißt auf Deutsch „schiefrunde, unregelmäßige Perle“. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden weite Teile Deutschlands zerstört. Die Bevölkerung, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Provinz und Hof geprägt, litt folglich unter den immensen Auswirkungen des Krieges. Unzählige Menschen starben an den Folgen des Krieges und der Pest. Die Literaturepoche des Barocks wurde davon stark beeinflusst. Der Barock zeichnet sich vordergründig durch die Antithetik, also einem von Gegensätzen und Widersprüchen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es im Barock vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Jenseits und Diesseits, Tugend und Wollust oder Weltverneinung und Weltzugewandtheit. In Deutschland führte der Barock zu einer Ablösung des Lateinischen im Schriftwerk - einschließlich der philosophischen und wissenschaftlichen Literatur - durch das Deutsche. Im Barock war der überwiegende Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man dichtete zur gehobenen Unterhaltung oder bei Hofe zur Fürstenhuldigung. Für die wohlhabende Bevölkerung schrieben Lyriker für Beerdigungen, Taufen oder Hochzeiten. Die Dichtung im Barock wird deswegen auch Gesellschaftsdichtung genannt.
Das vorliegende Gedicht umfasst 316 Wörter. Es baut sich aus 9 Strophen auf und besteht aus 54 Versen. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“, „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“ und „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“. Zum Autor des Gedichtes „An Leonoren“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.
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