Leonorens Antwort von Johann Christian Günther
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Ach, liebster Schaz, verdient mein Herz, |
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So hart versucht zu werden? |
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Es leidet ja wohl anderwärts |
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Vorhin genug Beschwerden; |
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Und dennoch fehlt ihm niemahls Lust, |
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Erlaub ihm nur in deiner Brust |
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Auf kurz genoßne Freuden |
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Die Ehre mit zu leiden. |
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Ich hab es ja nur dir geschenckt, |
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Nicht aber deinem Glücke; |
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Du irrst dich, wo dein Argwohn denckt, |
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Ich fluche dem Geschicke. |
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Ich weine zwar, doch blos um dich; |
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Der Trost ist starck genug vor mich, |
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Wenn Philimen erkennet, |
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Wie rein die Flamme brennet. |
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Auch mir hat ja wohl die Natur |
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Kein Holz vor Fleisch gegeben. |
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Dein Umgang half mir auf die Spur, |
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Der Weißheit nachzustreben. |
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Du hältst mich schwächer als ich bin; |
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Ich schleiche zwar in Einfalt hin, |
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Doch weis ich Lust und Plagen |
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Schon mit Vernunft zu tragen. |
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Ich bin auch zärtlich, wie du weist, |
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Ich zittre bey den Schlägen; |
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Besinnt sich aber nur mein Geist, |
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Ich leide deinetwegen, |
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So bin ich tapfrer als ein Weib; |
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Es koste Güter, Ruh und Leib, |
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Ich will mich allen Fällen |
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Beherzt entgegenstellen. |
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Kein andrer traut mir freylich zu, |
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Du kanst und must es glauben, |
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Nichts soll mir meine Seelenruh |
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In deiner Liebe rauben. |
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Bedenck es selbst, was macht ein Kuß, |
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Den oft die Unschuld leiden muß? |
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Ich kan's gleichwohl nicht wagen, |
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Dir einen zu vertragen. |
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Bleib wo, wie lang und wer du wilst, |
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Nur lieb und bleib mein Eigen; |
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So wenig du auch jezo giltst, |
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So plözlich kanstu steigen. |
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Gesezt, es sey dir nichts bescheert, |
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Ach, halt mich deines Elends werth; |
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Ich will mit viel Vergnügen |
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Bey dir in Hütten liegen. |
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Der Geiz besizt nicht, was er hat, |
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Uns läst die Armuth lachen; |
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Die Liebe weis die Lagerstatt |
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Auf Rasen weich zu machen. |
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Mein Herz sucht manches zu verstehn, |
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Da will ich erst zur Schule gehn |
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Und unter deinen Lehren |
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Viel fremde Wunder hören. |
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Da soll mir dein beredter Fleiß |
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Mit untermengten Küßen, |
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Mit Sachen, die er meint und weis, |
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So Tisch als Traum versüßen; |
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Da werd ich viel, was längst geschehn, |
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Mit lüstern Ohren wiedersehn |
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Und auch wohl an den Sternen |
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Des Schöpfers Allmacht lernen. |
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Geht hin, ihr Docken stolzer Welt, |
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Macht höhnische Gesichter, |
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Erfreut euch unter Stand und Geld, |
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Ich habe meinen Dichter. |
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Er liebt wie ich und ich wie er, |
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Was macht mir mehr das Herze schwer? |
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Die Möglichkeit, das Leben |
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Nach ihm erst aufzugeben. |
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Verdien ich ja noch diese Qual |
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Mit unerkandten Sünden, |
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So soll die Welt im Hospital |
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Mich wohl nicht weiter finden; |
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Da soll mein Herz dein Leichenstein |
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Details zum Gedicht „Leonorens Antwort“
Johann Christian Günther
10
80
413
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Leonorens Antwort“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christian Günther. 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Im Zeitraum zwischen 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Der Barock umfasst etwa den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die Übersetzung des portugiesischen Begriffes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Die Zeit des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg stark beeinflusst – Hunger, Seuchen, Vergewaltigung und Tod sorgten für enormes Leid bei der Bevölkerung in Europa. So schrumpfte die Bevölkerung im Deutschen Reich von etwa 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Es herrschte in der Epoche des Barocks ein antithetisches Weltbild. Verschwendung und Luxus im Leben der Adeligen standen Armut und Leid innerhalb der einfachen Bevölkerung gegenüber. Die Literatur war ebenso gekennzeichnet von thematischen Widersprüchen. Jenseits und Diesseits standen sich ebenso gegenüber wie Spiel und Ernst oder etwa Sein und Schein. Die Epoche des Barocks vollzog einen Wandel von lateinischer zu deutscher Literatur. Die bedeutendste Literaturform des Barocks war dabei die Dichtkunst. Das Sonett war die häufigste Gedichtform, die genutzt wurde. Bedeutsame Vertreter des Barocks waren: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Martin Opitz, Christian Weise, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen und Andreas Gryphius.
Das Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 413 Worte. Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“, „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“ und „Was man von galanten Kindern“. Zum Autor des Gedichtes „Leonorens Antwort“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.
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