Leonorens Antwort von Johann Christian Günther

So soll mich auch durchaus nichts kräncken,
Es geh mir noch so wunderlich;
Ich muß in aller Noth gedencken:
Der Himmel thut's und prüfet dich;
Er ist ein Vater, der zwar schlägt,
Doch auch nicht ewig Ruthen trägt.
 
Wir Menschen können unser Glücke
Unmöglich allzeit selbst verstehn,
Wir fallen in Gefahr und Stricke,
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So oft wir vor uns selber gehn;
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Wir wehlen falsch und wandeln blind,
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So oft wir ohne Creuze sind.
 
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Ein ruhig Herz und rein Gewißen
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Wird doch von außen nicht verstört;
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Daß treue Seelen leiden müßen,
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Das wird wohl überall gehört,
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Doch daß sie niemahls Hülfe sehn,
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Das sieht man nimmermehr geschehn.
 
19 
Die Spötter thun mir freylich bange,
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Man sezt mir ein gefehrlich Ziel,
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Die Wetter stehn so schwer als lange,
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Der Trauernächte werden viel;
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Jedoch Gedult, Vernunft und Zeit
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Versprechen Palmen auf den Streit.
 
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Wer weis, wie bald mein Glücke steige,
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Es kan mir unverhoft noch blühn;
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Die Großmuth, so ich stets bezeige,
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Muß durch Gefahr dem Feind entfliehn.
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Ein treuer Gott und kluger Mann
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Macht, daß man alles dulden kan.
 
31 
Mein Leben wird noch um das Ende
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Ein Himmel voll Vergnügung seyn;
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Die Hofnung reicht mir schon die Hände,
34 
Die keusche Liebe stimmt mit ein:
35 
Geht, Winde, bringt den stillen Kuß
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Dem, der mir bleiben will und muß.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Leonorens Antwort“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
213
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Leonorens Antwort“ ist Johann Christian Günther. 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Im Zeitraum zwischen 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde anfänglich abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung setzte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte das Deutsche Reich einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel der Bevölkerung verlor in jener Zeit ihr Leben. Doch waren nicht etwa hohe Verluste im Krieg dafür verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in nahezu allen Städten des Deutschen Reiches. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen (antithetischen) Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war geprägt von Pessimismus und bitterer Armut, während an den Fürstenhöfen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Dichtung wird der Gebrauch solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Die Epoche des Barocks stellte einen Wandel von lateinischer zu deutschsprachiger Literatur dar. Die bedeutsamste Literaturform des Barocks war dabei die Lyrik. Das Sonett war die häufigste Form eines Gedichts, die genutzt wurde. Die Autoren gehörten in der Regel dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Beamte und Adelige. Berühmte Dichter des Barocks sind beispielsweise Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das 213 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere Werke des Dichters Johann Christian Günther sind „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“, „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“ und „Was man von galanten Kindern“. Zum Autor des Gedichtes „Leonorens Antwort“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.

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