An die Phillis von Johann Christian Günther

Erröthe nur nicht erst, du wohlgezognes Kind,
Wenn jezo Mund und Kiel aus Liebe kühner sind
Und, da dein Wesen mir bereits das Herz genommen,
Mit Ernst und Redligkeit nach deinem Herzen kommen.
Es ist kein blinder Schluß noch leichter Eigensinn;
Der Himmel führt mich selbst zu deiner Tugend hin
Und bringt uns auf der Welt kaum einmahl recht zusammen,
So fühl ich alsobald die rein- und edlen Flammen
Der Liebe gegen dich, die ohne Falschheit brennt
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Und jedem auf der Welt das gröste Glücke gönnt,
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Wenn mich nur Gott und Zeit bald so geneigt bedencken
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Und meiner treuen Brust dein Herz zum Lohne schencken,
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Zum Lohne vor den Fleiß und vor so manche Nacht,
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Die mein Studiren oft mit Wachen zugebracht,
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Um dermahleins an Kunst und Wißenschaft zu grünen
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Und als ein nüzlich Glied der Republic zu dienen.
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Der, so im Himmel wohnt und ins Verborgne sieht,
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Mag selber Zeuge seyn, wie starck mein Eifer glüht,
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Ein gleichgesinntes Herz und treues Weib zu finden,
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Bey der sich Tugend, Wiz und Zärtligkeit verbinden.
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So weit nun mein Verstand Gemüther prüfen kan,
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So freudig seh ich dich vor meines gleichen an
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Und finde, wie mich dünckt, an deinen edlen Gaben
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Was mehr als insgemein des Landes Töchter haben,
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Und darum hoft mein Geist, wofern er dich erhält,
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In recht vergnügter Eh den Himmel auf der Welt.
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Die Eintracht soll bey uns in Bett und Tische lachen
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Und unsern Lebenslauf voll güldner Stunden machen.
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Ich rühme nichts von mir als unverfälschte Treu
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Und stelle dir hiermit die Wahl in Demuth frey:
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Getraustu dich, mit mir vergnügt und wohl zu leben,
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So säume länger nicht, dein Herz an Tag zu geben.
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Dein Vater, deßen Geist und Klugheit und Verstand
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Ich nur die kurze Zeit zur Gnüge schon erkand,
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Wird schon so gütig seyn und unter Wuntsch und Seegen
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Sein Jawort nebst der Hand auf unser Bündnüß legen,
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Das blos vom Himmel kommt. Ich nenne dich schon mein,
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Und du kanst gegentheils gewis versichert seyn,
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Daß, ob ich mich gleich nicht mit Blute hoch verschwöre,
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Ich dennoch mit Vernunft mich blos vor dein erkläre.
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Die Allmacht seegne dich in deines Vaters Haus
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Und führe dich zu mir mit Wuntsch und Heil heraus
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Und cröne den Beruf, worin er mich gesezet,
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Mit allem, was ein Mensch vor gut und glücklich schäzet.
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Du aber, werthes Kind, sey immer unbetrübt
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Und glaube, daß der Herr, der fromme Seelen liebt,
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Uns als ein treues Paar auch hier noch auf der Erde
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Den Neidern zum Verdruß mit Wollust träncken werde.
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Was wiltu doch wohl mehr in dieser eitlen Welt,
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Wo Creuz und Unbestand das Bürgerrecht behält,
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Was wiltu, sag ich, mehr in dieser Welt erwerben,
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Als blos mit mir vergnügt zu leben und zu sterben?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.2 KB)

Details zum Gedicht „An die Phillis“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
456
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An die Phillis“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christian Günther. 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1711 und 1723. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Epoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis etwa 1720. Diesen Zeitraum kann man in drei Abschnitte unterteilen: Spät-, Hoch- und Frühbarock. Die Literaturepoche des Barocks ist durch ein bedeutendes Ereignis geprägt, dem Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. Durch die ungenügenden sanitären Bedingungen konnten sich Infektionskrankheiten schnell ausbreiten. Rund ein Drittel der Menschen kamen durch den Krieg und grassierenden Seuchen, wie etwa der Pest, ums Leben. Durch die massive Verminderung der Bevölkerung schwächte sich das wirtschaftliche Leben zunehmend ab. Die Literatur des Barocks ist stark beeinflusst von der Antithetik. Das bedeutet, die Menschen nahmen ihre Welt als widersprüchlich und gegensätzlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Armut geprägt. An den Fürstenhöfen herrschten jedoch Luxus und Verschwendung. Im Barock löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Zu den namhaften Schriftstellern der Literatur des Barocks gehören beispielsweise: Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Andreas Gryphius, Grimmelshausen, Caspar Ziegler, Paul Fleming, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Angelus Silesius.

Das 456 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 52 Versen mit nur einer Strophe. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christian Günther sind „Abendlied“, „Rosen“ und „So aber sucht man ihm die Wege vorzuschreiben“. Zum Autor des Gedichtes „An die Phillis“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.

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