Ich schlafe zwar, ihr werthen Brüder von Johann Christian Günther
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Ich schlafe zwar, ihr werthen Brüder, |
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Ich schlafe zwar, so denckt ihr noch; |
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Ihr haltet meine schlechten Lieder |
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Vor ein vor mich gezwungnes Joch. |
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Doch aber sollt ihr dieses wißen: |
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Ich handle nicht mit Joabs Küßen. |
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Ich glaube so, so wie ich's meine, |
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Ein andrer glaube, wie er will. |
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Die Kirschen sind zwar etwas kleine, |
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Doch jede Frucht wächst in der Still; |
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Und hält man sie vor Stachelbeeren, |
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Was thut's? Man mag sie auch verzehren. |
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Das weis ich, daß mein treu Gemüthe |
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Dem Pöbel ein Gelächter macht; |
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Ich weis auch, daß des Himmels Güte |
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So gut vor mich als alle wacht, |
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Und darum wird mir mein Gewißen |
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Auch wider Narren zeugen müßen. |
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Die Welt ist jezo voller Narren, |
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Und darum bin ich einer mit, |
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Und der hat wohl den grösten Sparren, |
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Der aus gemeinem Gleise tritt; |
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Indeßen wird der Schluß nicht triegen, |
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Daß mancher auch kan wacker lügen. |
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Man leugt bisweilen nach der Mode, |
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Und nach der Mode lüg auch ich; |
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Ein jeder schwimmt im Narrensode, |
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Ihr Narren, was verdenckt ihr mich? |
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Ihr Narren lügt, so will ich lügen, |
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Bis daß wir alle Kappen kriegen. |
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Die Kappe, die ich jezo trage, |
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Steht mir wie Eulenspiegeln an, |
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Doch dies ist die gewiße Plage, |
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Daß ich sie nicht vertragen kan; |
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Sonst würden auf den Pfafenmüzen |
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Die Schellen warlich beßer sizen. |
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Was wollt ihr mehr? Der Streusand rüselt, |
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Und ob gleich bey dergleichen Art |
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Ein toller Schedel altklug grüselt, |
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So bin ich doch wie er verwahrt, |
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Weil, wenn mich stumme Würmer reißen, |
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Auch ihn die stummen Würmer beißen. |
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Die stummen Würmer beißen alle; |
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Der Klügste scheint, wer sie verhält; |
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Und wem die Frucht von Adams Falle |
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Noch jezo den Geschmack vergällt, |
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Der wird vorwahr am besten schließen, |
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Wenn ihn die Stiche nicht verdrießen. |
Details zum Gedicht „Ich schlafe zwar, ihr werthen Brüder“
Johann Christian Günther
8
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290
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Ich schlafe zwar, ihr werthen Brüder“ ist Johann Christian Günther. Der Autor Johann Christian Günther wurde 1695 in Striegau geboren. In der Zeit von 1711 bis 1723 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Epoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis 1720. Das Wort „Barock“ leitet sich vom portugiesischen Wort „barocco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde, seltsam geformte Perle“. Die Bevölkerung Europas entwickelte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in unterschiedliche Richtungen. Der Krieg stellte ein prägendes Ereignis dar. Aber auch die Pest übte einen großen Einfluss auf die Verhältnisse der damaligen Zeit aus. Die Literatur im Barock ist beeinflusst von der Antithetik. Das bedeutet, die Menschen der damaligen Zeit nahmen ihre Welt als widersprüchlich und gegensätzlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Armut, Krieg und Krankheit geprägt. Bei den Adeligen herrschten dennoch Luxus und Verschwendung. Die Epoche des Barocks stellte einen Wandel von lateinischer zu deutschsprachiger Literatur dar. Die wichtigste Literaturform der Epoche war dabei die Dichtkunst. Das Sonett war die häufigste Form eines Gedichts, die Verwendung fand. Da während der Literaturepoche des Barocks der Wohlklang und die äußere Ästhetik eines literarischen Werkes eine bedeutende Rolle spielten, war die bevorzugte Literaturform das Gedicht. In den Gedichten wurden sehr gerne Symbole, Metaphern und Hyperbolik eingesetzt.
Das vorliegende Gedicht umfasst 290 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Ich will lachen, ich will scherzen“, „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“ und „Brich an, erfreutes Licht, las deine Freudenstunden“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ich schlafe zwar, ihr werthen Brüder“ weitere 264 Gedichte vor.
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