An Gott um Hülfe von Johann Christian Günther
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So ist's, bedrängtes Herz, aufs eußerste gekommen; |
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Das Elend hat den Lenz des Alters mitgenommen, |
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Schmach, Armuth, Schmerz und Müh gebiehrt noch keine Ruh, |
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Mein Erbtheil ist verraucht, die Gönner sind verblichen, |
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Der Eltern Herz verstockt, der beste Freund gewichen, |
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Und wo mein Jammer klopft, da schlägt die Thüre zu. |
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Der Pöbel ärgert sich an diesem leichten Kleide; |
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Kein Armer ist so schlecht, er hat noch eine Freude, |
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Nur mich erquickt und stärckt kein Augenblick voll Lust. |
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Ich habe keinen Ort, wohin mein Haupt sich lege, |
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Bin nirgends angenehm und überall im Wege |
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Und finde, wo ich fall, kein Mitleid treuer Brust. |
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Zehl jemand, wo er kan, den Grieß am Oderstrande, |
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Die Schuppen in der See, die Gräser auf dem Lande, |
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So hat er gleich das Maas der Seufzer meiner Pein, |
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Der Seufzer, die es stets so treu und redlich meinen, |
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Der Jugend Schwachheitsschuld erkennen und beweinen |
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Und doch so lang umsonst nach Trost und Hülfe schreyn. |
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Wie wenig, liebster Gott, bedürft ich, mich zu retten, |
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Wenn Argwohn, List und Wahn an mir kein Greuel hätten |
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Und Glimpf und Billigkeit bey einem Richter wär! |
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So aber wütet man mit Donner, Bliz und Flammen, |
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Verstößt mich ungehört und macht mir durch Verdammen |
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Den Weg zur Beßerung auf allen Seiten schwer. |
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Man misbraucht Gottes Wort, um mich nur recht zu quälen, |
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Man sucht mir das Vertraun auf deßen Huld zu stehlen, |
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Der auch den ärgsten Mensch mit Lieb und Trost bekehrt: |
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Da schreyt die Heucheley den Gönnern in die Ohren, |
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Ich als verworfnes Kind sey würcklich schon verloren |
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Und folglich keiner Gunst noch Hülfe weiter werth. |
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Wer glaubt die Grausamkeit von väterlichen Händen? |
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Er zürnt, er läst es auch dabey noch nicht bewenden, |
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Daß er allein vor sich sein Fleisch und Blut verschmäht, |
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Er zeugt mir fremden Haß, läst andre Feuer blasen, |
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Weckt selber meinen Feind, ist's Einfalt oder Rasen? |
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Sprecht, sagt es frey heraus, die ihr das Recht verdreht! |
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Gedult, geplagtes Herz, Gedult, betrübte Sinnen; |
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Vielleicht wird Zeit und Fleiß dem Unstern abgewinnen, |
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Die Ehrbegierde kommt und steckt die Geister an; |
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Nimm allen Trost von dir und von des Himmels Güte |
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Und opfre seiner Huld mit feurigem Gemüthe, |
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Du weist ja, daß er dich nicht ewig laßen kan. |
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Dein Zustand kan gar bald ein ander Aussehn kriegen, |
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Es heist ja die Gefahr der Anfang zu dem Siegen |
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Und diese deine Noth der Grund vom Wohlergehn. |
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Gebeth, Verstand und Wiz und Klugheit, sich zu schicken, |
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Vermögen allzeit mehr als die, so hämisch drücken |
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Und ohne Fug und Recht der Unschuld widerstehn. |
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Auch darauf kommt's nicht an, daß viel von deinen Jahren |
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Dir unter fauler Angst wie Traum und Strom entfahren. |
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Was weg ist, gilt nicht mehr, der Ernst bringt alles ein, |
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Die Hofnung stärckt den Muth, erleichtert Schmerz und Bürde. |
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Erlangstu nur einmahl der Weißheit halbe Würde, |
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So kan dein Reichthum dir noch mehr als Cronen seyn. |
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Mein Vater und mein Schuz, du Brunnquell reiner Liebe, |
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In deßen Warheit ich Verstand und Sinnen übe, |
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Ach sprich doch auch in mir: Es werde wieder Licht! |
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Dich kennen ist allein die Weißheit, so ich suche; |
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Ich seh sie in der Welt, in diesem großen Buche, |
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Worinnen jeder Punct von deiner Größe spricht. |
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So deutlich und so wahr ich jezt mich selbst empfinde, |
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So fest versprech ich mir Vergebung jeder Sünde, |
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Und so gewis du bist, so starck ist mein Vertraun. |
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Du hast mich längst erwehlt, ach hilf mich jezt bekehren, |
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Damit ich würdig sey, die Mittel zu begehren, |
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Die inn- und eußerlich mein Glücke fester baun. |
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Ach hilf mir wider mich, wenn Fleisch und Regung irren, |
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Damit sie die Vernunft durch keinen Dunst verwirren, |
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Las Leben, Leib und Kraft noch etwas stehn und blühn, |
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Und dieses nur darum, dein Lob einmahl zu preisen |
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Und endlich auch der Welt die Pflichten zu erweisen, |
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Worzu mir die Natur ein gutes Pfund verliehn. |
Details zum Gedicht „An Gott um Hülfe“
Johann Christian Günther
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1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „An Gott um Hülfe“ ist Johann Christian Günther. Der Autor Johann Christian Günther wurde 1695 in Striegau geboren. Im Zeitraum zwischen 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Das Wort Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock im Sinne eines Adjektivs wurde anfänglich abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung setzte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Das Leben der Menschen war geprägt vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und der Pest. Die Menschen lebten in schwierigen Verhältnissen. Adelige lebten einen luxuriösen Lebensstil, wohingegen das normale Volk in bitterer Armut lebte. Die Fürsten wollten immer mehr Einfluss auf Erziehung und Lebensstil erlangen. Bauernaufstände und Unruhen führten zu einem Umdenken der Menschen und zu einem wachsendem Selbstbewusstsein. Elend und Krieg lösten in der einfachen Bevölkerung ein tiefes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Im Gegensatz dazu lebten die absolutistischen, alleinigen Herrscher in verschwenderischem Luxus und ließen sich Prunkschlösser errichten. Diese Gegensätze von Lebenslust und Todesangst bzw. Luxus und Armut spiegelten sich ebenso in der Barockliteratur wider. In der Lyrik wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Die am häufigsten verwendeten Formen in der Poesie waren das Sonett, die Elegie, das Epigramm und die Ode. Im Zeitalter des Barocks begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance verfassten ihre Werke noch in lateinischer Sprache. Wichtige Schriftsteller für die Zeit des Barocks waren unter vielen anderen: Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian Weise, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen und Andreas Gryphius.
Das vorliegende Gedicht umfasst 636 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 72 Versen. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Was man von galanten Kindern“, „Ich will lachen, ich will scherzen“ und „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An Gott um Hülfe“ weitere 264 Gedichte vor.
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Zum Autor Johann Christian Günther sind auf abi-pur.de 264 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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