Nach verrichteter Andacht um Beszerung des Lebens von Johann Christian Günther
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So bin ich nun, du höchstes Wesen, |
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Schon wieder meiner Schulden frey. |
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Ach, las auch aus den Wercken lesen, |
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Daß meine Buße kräftig sey, |
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Und zwinge durch geheime Kraft |
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Die Unart wilder Leidenschaft. |
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Du läst dich gern und willig bitten |
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Und hörst mit Lust das Abba schreyn; |
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Ach, richte Wandel, Wuntsch und Sitten |
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Nach deiner weisen Absicht ein. |
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An Tugend gieb mir Überfluß, |
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An Nothdurft, was man haben muß. |
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Du hast mir die Vernunft gegeben, |
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Erleuchte sie durch Geist und Wort |
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Und führe meinen Fuß im Leben |
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Durch Glück und Unglück sicher fort, |
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Damit er nicht durch Thal und Höh |
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Mit Lust die breite Straße geh. |
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Du kennst mein Herz, es ist bescheiden |
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Und liebet die Zufriedenheit, |
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Es kan des Nechsten Fehler leiden, |
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Es dient ihm auch nach Mögligkeit; |
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Die Schwachheit hängt ihm freylich an |
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Wo lebt ein ganz gerechter Mann? |
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Hilf du nur mir mich selbst bezwingen |
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Und reiß mich mit Gewalt zu dir, |
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Las, was mir gut ist, wohl gelingen; |
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Vergeh ich mich, so wincke mir, |
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Und bringt auch dieses keine Frucht, |
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So nimm die Ruthe deiner Zucht. |
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Las Heucheley und Aberglauben |
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Mir niemahls den Verstand verdrehn, |
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Ein redlich Herze von den Tauben, |
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Von Schlangenwiz die List zu sehn, |
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Womit die ungerechte Welt |
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Dem Frömmsten Nez und Angel stellt. |
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Bekehre meinen Feind mit Güte |
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Und las mir keine Rachgier zu; |
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Halt Leib und Sinnen und Gemüthe |
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Gesund, bey Kräften und in Ruh |
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Und beuth mir mein bescheiden Theil |
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Vor guten Fleiß und Arbeit feil. |
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Gefällt es deinen Vorsichtsschlüßen, |
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So gieb mir einen treuen Freund, |
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Der alles, doch auch mit Gewißen, |
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Mit mir wie mit sich selber meint |
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Und, wenn sich Leid und Freude regt, |
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Die Hälfte mit Vergnügung trägt. |
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So will ich dir mit treuem Herzen |
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Die ganze Lebenszeit vertraun |
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Und als ein Christ mit klugem Scherzen |
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Das Elend dieses Lebens baun, |
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Bis daß der Tag, den du bestimmt, |
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Mir dieses, was verweslich, nimmt. |
Details zum Gedicht „Nach verrichteter Andacht um Beszerung des Lebens“
Johann Christian Günther
9
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316
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Nach verrichteter Andacht um Beszerung des Lebens“ ist Johann Christian Günther. Geboren wurde Günther im Jahr 1695 in Striegau. Zwischen den Jahren 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Epoche des Barocks erstreckt sich über den Zeitraum von 1600 bis 1720. Die Begrifflichkeit „Barock“ leitet sich vom portugiesischen Wort „barocco“ ab und bedeutet so viel wie „seltsam geformte Perle“. Das Zeitalter des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt – Hunger, Seuchen (insbesondere die Pest), Vergewaltigung und Tod sorgten für enormes Elend bei der Bevölkerung in Europa. So verkleinerte sich die Bevölkerung im Deutschen Reich von etwa 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Krieg und Elend lösten in der ärmeren Bevölkerung ein starkes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Dagegen lebten die alleinigen, absolutistischen Herrscher in pompösen Luxus und ließen sich Schlösser voller Prunk errichten. Diese Gegensätze von Lebenslust und Todesangst bzw. Luxus und Armut spiegelten sich ebenfalls in der Barockliteratur wider. In der Lyrik wird die Verwendung solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Als Literaturgattungen genossen die Lyrik in Form von Sonetten, Liedern oder Oden, die Epik in Form des Romans und das Drama größere Bedeutung. Während die Autoren der Renaissance vorwiegend in lateinischer Sprache, der Sprache der Wissenschaft, verfassten, bemühte man sich nun, sich dem Deutschen zu widmen. Zu den bedeutendsten Dichtern des Barocks gehören: Andreas Gryphius, Grimmelshausen, Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Caspar Ziegler und Paul Fleming.
Das Gedicht besteht aus 54 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 316 Worte. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“, „Was man von galanten Kindern“ und „Ich will lachen, ich will scherzen“. Zum Autor des Gedichtes „Nach verrichteter Andacht um Beszerung des Lebens“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.
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