Über die Worte: Ich weis, dasz mein Erlöser lebt etc von Johann Christian Günther

Erhole dich, bedrängtes Herze,
Im Schooße der Gelaßenheit;
Verzagen hilft uns nicht vom Schmerze,
Der Unschuld Gram ergözt den Neid
Und macht durch ihren Thränenbach
Die Kraft zum Überwinden schwach.
 
Das Elend ist ja auf der Erden
So allgemein als Luft und Fall.
Sobald wir kaum zu Menschen werden,
10 
So prophezeit der Jammerschall
11 
Auch in der Wiege schon die Noth,
12 
Die unserm ganzen Leben droht.
 
13 
Man wandelt zwischen Furcht und Spöttern,
14 
Man wird verschnidten und gedrückt
15 
Und bey den grösten Unglückswettern
16 
Auch gar von Freunden umgerückt,
17 
Von Freunden, die des Glückes List
18 
Mit angenehmen Blicken küst.
 
19 
Der Geist ist willig, recht zu leben,
20 
Und wäre gern der Mängel los;
21 
Allein des Fleisches Widerstreben
22 
Ist allemahl so starck und groß,
23 
Daß auch der allerbeste Christ
24 
Zum öftern Rath und Trost vermißt.
 
25 
Was aber sollt ich weichlich klagen?
26 
Ich weis, daß mein Erlöser lebt;
27 
Er lebt, er zehlet meine Plagen,
28 
Worin mich viel Gefahr begräbt,
29 
Er lebt, er siegt und theilt den Raub
30 
Und tritt, was mich verfolgt, in Staub.
 
31 
Ach könt es doch ein jeder faßen,
32 
Wie glücklich so ein Leiden heist,
33 
Bey dem wir uns auf den verlaßen,
34 
Der endlich unser Joch zerschmeist
35 
Und deßen väterliche Zucht
36 
Die Wohlfahrt unsrer Seele sucht.
 
37 
Indem ich die Versichrung habe
38 
Und völlig überzeuget bin,
39 
So seh ich täglich nach dem Grabe
40 
Mit Lust und Sehnsuchtsblicken hin
41 
Und wüntsche bald mit heißem Flehn,
42 
Durch deßen Nacht das Licht zu sehn,
 
43 
Das Licht, in dem der Vater wohnet,
44 
Dort, wo Verdruß und Angst und Weh
45 
Der Auserwehlten ewig schonet,
46 
Bey denen ich in Hofnung steh.
47 
Mein Glaube kämpft, Gott spricht ein Wort,
48 
Halt an, mein Geist, dein Sieg ist dort.
 
49 
Fallt hin, ihr abgekränckten Glieder,
50 
Und mengt euch unter Asch und Sand;
51 
Ihr werdet mir gewislich wieder
52 
Mit neuer Klarheit zugewand.
53 
Verschleus, du abgetragnes Kleid,
54 
Verwesung bringt Vollkommenheit.
 
55 
Da werd ich in dem Gottheitsspiegel
56 
Den Abgrund hoher Weißheit schaun,
57 
Da wird mir auch des Lammes Siegel
58 
Den schönsten Brautschmuck anvertraun,
59 
Da werd ich wider alle stehn,
60 
Die wider mich zu Schaden gehn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.8 KB)

Details zum Gedicht „Über die Worte: Ich weis, dasz mein Erlöser lebt etc“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
60
Anzahl Wörter
337
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Über die Worte: Ich weis, dasz mein Erlöser lebt etc“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christian Günther. Geboren wurde Günther im Jahr 1695 in Striegau. Im Zeitraum zwischen 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die deutsche Epoche des Barock begann circa 1600 und endete im Jahr 1720. Die wörtliche Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „schiefe Perle“. Die Literaturepoche des Barocks ist durch ein gewichtiges Ereignis geprägt, dem Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. Durch die ungenügenden sanitären Bedingungen konnten sich Seuchen schnell ausbreiten. Rund ein Drittel der Bevölkerung kamen durch den Krieg und grassierenden Seuchen, wie etwa der Pest, ums Leben. Durch die starke Verminderung der Bevölkerung erlahmte das wirtschaftliche Leben zunehmend. Die Literatur im Barock ist stark geprägt von der Antithetik. Das bedeutet, die Menschen nahmen ihre Welt als gegensätzlich und widersprüchlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Krieg, Krankheit und Armut geprägt. An den Fürstenhöfen herrschten jedoch Luxus und Verschwendung. Die Literaturepoche des Barocks stellte einen Wandel von lateinischer zu deutschsprachiger Literatur dar. Die bedeutendste Literaturform des Barocks war dabei die Lyrik. Das Sonett war die häufigste Gedichtform, die Verwendung fand. Zu den berühmtesten Dichtern des Barocks gehören: Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Caspar Ziegler und Paul Fleming.

Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 337 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christian Günther sind „So aber sucht man ihm die Wege vorzuschreiben“, „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“ und „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“. Zum Autor des Gedichtes „Über die Worte: Ich weis, dasz mein Erlöser lebt etc“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Christian Günther

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Christian Günther und seinem Gedicht „Über die Worte: Ich weis, dasz mein Erlöser lebt etc“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Christian Günther (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Christian Günther sind auf abi-pur.de 264 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.