Nahmenswuntsch eines Sohnes an seine Mutter von Johann Christian Günther

Wenn dir, Hochwertheste, ein kindliches Vertrauen
Zu deiner Muttertreu lieb und erfreulich ist,
So las den kleinen Sohn, der dir die Hände küst,
Die Größe reicher Huld an diesem Tage schauen.
Nimm mit geneigter Hand den schlecht- und armen Zoll
Und las dies dürre Blat aus deinen holden Augen
Die Anmuth, so ihm fehlt, anstatt der Dinte saugen!
Vielleicht macht dieser Thau die hohlen Nelcken voll.
 
Der Abend dämpft bereits des Mittags Last und Hize.
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Ich komme ziemlich spät, doch langsam nährt sich auch;
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Du weist es schon vorhin, ich habe den Gebrauch,
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Daß ich gar selten viel aus Übereilung schwize.
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Die Kindheit überdies entschuldigt meine Pflicht,
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Die das erfreute Fest, so deinen Nahmen borget,
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Nicht eher durch den Reim, der dennoch schnarrt, versorget,
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Weil mir die rechte Kraft zur Poesie gebricht.
 
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Was aber sollt ich dir zum Angebinde kaufen,
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Da ich ein Petrus bin, dem Gold und Silber fehlt?
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Wer von Salat und Obst die Finger müde zehlt,
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Der kan vor den Gewinn gar leicht zum Koche laufen.
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Die Kräuter bringen mir nicht einen Heller ein,
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Und könt ich einen Marckt von Kirschengut bestellen,
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So würden sicherlich mir anderthalb Florellen
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So wenig als ein Quart ans Herz gebunden seyn.
 
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Jedoch ein Stoßgebeth, ein Seufzer, eine Thräne,
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Die vor dein Wohlergehn von mir gen Himmel steigt,
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Gilt mehr als rotes Erz, weil es den Seegen zeigt,
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Dem ich durch meinen Wuntsch den Weg zur Ankunft bähne.
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Gott, deiner Väter Gott, steh deinem Creuze bey,
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Er mindre seine Last und mehre dir die Jahre,
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Damit des Alters Schmuck, das Silber grauer Haare,
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Dereinst um deinen Schlaf der Ehrfurcht heilig sey!
 
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Dein Garthen baue dir ein Paradies auf Erden,
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In welchem jeder Baum Vergnügungsfrüchte trägt,
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Die keines Unfalls Wind von ihren Zweigen schlägt,
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Bis sie von Glücke reich, von Wollust mürbe werden.
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Trinckt manchmahl Gottes Hand dir einen Creuzkelch zu,
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So misch ein Engel dir stets Zucker in die Myrrhen,
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Und mustu deinen Fuß zur lezten Reise schirren,
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So bringe Canaan den müden Leib zur Ruh!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Nahmenswuntsch eines Sohnes an seine Mutter“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
334
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Nahmenswuntsch eines Sohnes an seine Mutter“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Christian Günther. Geboren wurde Günther im Jahr 1695 in Striegau. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1711 und 1723. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Barock kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Barock umfasst die Zeit von 1600 bis 1720. Die Übersetzung des portugiesischen Wortes „barocco“ lautet „unregelmäßig geformte Perle“. Durch die Pest starben um die 30 % der Bevölkerung. Auch der Dreißigjährige Krieg führte zu einem wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verfall im Deutschen Reich. Trotzdem lebten die Fürsten einen luxuriösen und ausschweifenden Lebensstil vor. Sie nutzten das Durcheinander nach dem Dreißigjährigen Krieg, um eine Neugliederung der Gebiete vorzunehmen und ihre Macht auszubauen und zu festigen. Die Autoren behandelten die Gegensätze in fast allen Lebensbereichen. Das wird auch als Antithetik bezeichnet. Inhaltlich folgten die Autoren der Antithetik und stellten in ihren Werken Gegensätze in den Mittelpunkt – etwa Jenseits und Diesseits, Schein und Sein oder Verfall und Blüte. Die am meisten benutzten Formen in der Poesie waren das Sonett, das Epigramm, die Elegie und die Ode. Im Zeitalter des Barocks begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance verfassten ihre Werke noch auf Lateinisch. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Akademiker, Theologen, Beamte und Adelige. Berühmte Lyriker des Barocks sind etwa Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das 334 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“, „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“ und „Was man von galanten Kindern“. Zum Autor des Gedichtes „Nahmenswuntsch eines Sohnes an seine Mutter“ haben wir auf abi-pur.de weitere 264 Gedichte veröffentlicht.

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