An einen andern guten Freund von Johann Christian Günther

Freund von der alten Welt, an Treue, nicht an Jahren,
Es küst dich meine Pflicht durch dieses stumme Blat
Und wüntschet stets von dir ein Glücke zu erfahren,
Das der Policrates zu seiner Schwester hat.
Die Zeit verändert sich, und Tithons goldner Wagen,
Als deßen Wiederkunft die langen Nächte hemmt,
Hat abermahls ein Jahr an jenen Ort getragen,
Woher kein Rückweg geht und niemand wiederkömmt.
Die Römer stritten einst mit köstlichen Geschencken,
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Wenn des Saturnus Spiel der Knechte Lust vernahm;
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Ein Gönner schonte nichts, den andern zu bedencken,
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Der ihm, wo nicht zuvor, doch schon entgegen kam.
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Dort flogen Münzen, Pracht, Geschmeide, Stof und Bänder,
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Wein, Schalen, Zuckerwerck und Bilder her und hin.
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Was anders zeigten wohl dergleichen Ehrenpfänder
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Als den in Lust und Leid ergebnen Freundschaftssinn?
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Jezt sollt ich den Gebrauch an dir mit Recht verneuren.
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Mein Bruder, zürne nicht, daß mich der Nothzwang quält,
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Weil Dichter insgemein, auch ohne viel Betheuren,
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Ein Volck wie Petrus sind, dem Gold und Silber fehlt.
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Wir zahlen mit der Hand, doch nur papierne Gelder,
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Wie Franckreichs Ludewig, wenn ihm der Sold gebricht.
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Kein solches Bergwerck ziert der Musen Lorbeerwälder
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Als wie den reichen Harz, in den Hannover sticht.
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Der Phoebus, unser Herr, trägt weder Tasch und Beuthel
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Noch Geld und Geldes Werth, wie ein Apostel thut;
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Er schäzet dies Metall vor seine Faust zu eitel
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Und scheint darinnen fast den Capucinern gut.
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Könt ich in einen Sack von Rosinobeln greifen,
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Wär ich ein Kaufmannskind, das viel auf Banco legt,
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Und ließe der Parnaß mir theure Früchte reifen,
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Die der Alcinous in seinen Gärthen trägt,
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So würd ich, dient es auch zu meinem grösten Schaden,
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Viel Hecatomben thun und dir als ein Poet
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Den starcken Pegasus wie ein Camel beladen,
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Das zu dem Mahometh nach Mecca opfern geht.
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Dies ist kein Werck vor mich, und Wollen und Vollbringen
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Sind Dinge, die bey mir in keinem Bunde stehn.
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Thut dir ein Lied genug? Die Redligkeit mag singen
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Und dich, so weit sie kan, bis ans Gestirn erhöhn.
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Dies etwan hab ich noch bey allem Mangelleiden,
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Daß mir Calliope ein heitres Antliz giebt
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Und daß ein Freund wie du, so sehr mich andre neiden,
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Der Tadelsucht zu Troz mein schlechtes Spielen liebt.
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Das Urtheil macht mich stolz, das deine Feder schreibet;
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Viel bild ich mir auf dich, nichts auf mich selber ein.
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Der Geist, so dann und wann mich auf den Pindus treibet,
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Will künftighin von dir noch mehr entzündet seyn.
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Brächt ich es nur so weit, den Meistern zu gefallen,
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Die in gebundner Kunst nicht fremde Gäste sind,
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Ich schlüge Zorn und Haß und das verdammte Lallen
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Des murrenden Gerüchts mit Großmuth in den Wind.
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Es geht nicht anders her, dies sind der Misgunst Sitten,
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Daß, weil der Dichter lebt, er wenig Ruhm erlangt,
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Noch, eh die Parzen ihm den Faden abgeschnidten,
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Sein wohlverdienter Kranz auf Marmorsäulen prangt.
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Die Unart eitler Welt lobt selten ein Gedichte,
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Wenn nicht die Hand schon fault, die es geschrieben hat;
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Der Tod gebiehrt uns erst ein grünendes Gerüchte,
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Die Ehrenwiege bleibt des Sarges Lagerstatt.
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Homer war seiner Zeit ein schändliches Gelächter,
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Nur Schäfer hörten zu, wenn der von Ascra sang,
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Virgil erfuhr den Spott der giftigen Verächter,
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Eh er durch seine Gruft die bösen Mäuler zwang.
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Vielleicht hört mich das Ohr des Vaterlandes nennen,
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Wenn seiner Enckel Kind die deutschen Schwäne zehlt,
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Vielleicht wird Opiz mich als seinen Schüler kennen,
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Wenn der Elyser Feld uns dermahleinst vermehlt.
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Der Hochmuth bläst auch mir den Wahn nicht in die Ohren,
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O nein, ich seh es wohl, was Lohenstein gethan,
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Denn Gryph und dieser stehn in den berühmten Thoren
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Der grauen Ewigkeit wie Hofmann obenan.
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Sind doch nicht alle gleich, die nach dem Kayser reiten,
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Was schadet's, daß auf mich die lezte Stelle fällt;
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Genug vor meinen Ruhm, wenn in den späten Zeiten
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Mein Buch, das jezo keimt, nur einen unterhält.
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Zwar sollt es mir vergehn, die Saythen anzustimmen,
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Da mich des Unglücks Hand in Kummerlauge wäscht
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Und durch die scharfe Fluth, wenn Kopf und Kiel entglimmen,
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Den Zunder, der kaum fängt, den Augenblick verlöscht.
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Der Guckuck überschreyt des Phoebus Nachtigallen,
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Ein nächtliches Holla durchdringt das Fensterglas;
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So zierlich kan es kaum aus jener Höhle schallen,
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In welcher Cacus einst mit seiner Flaute saß.
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Der halbgebrochne Klang ersauft im Wermuthbade.
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Ich schäze Wittenberg der Insel Pathmos gleich,
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Des Elbstroms Ufer ist mein Pontisches Gestade,
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Hier macht mich Leid und Gram wie dort den Naso bleich.
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Jedoch was will man thun? Auf das Verhängnüß fluchen?
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Was hat ein Hund davon, der in die Steine beißt?
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Wer weis, kan mich nicht bald ein Ebedmelech suchen,
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Der den Propheten dort aus Schlamm und Grube reißt?
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Die Leyer bleibt mein Trost. Wohl dem, der seinen Wunden,
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Die ihm die Schickung schlägt, dergleichen Pflaster kauft,
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Die Leyer, so mir selbst der Phoebus eingebunden,
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Als mich die Musenschaar aus ihrer Fluth getauft.
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Da siz ich früh und spät, da spiel ich mit Vergnügen,
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Diana nimmt gar oft die Harmonie in Acht,
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Dabey las ich den Dampf des edlen Weihrauchs fliegen,
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Den uns Virginien durch Londen übermacht.
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Bald kommt der Cypripor, ich muß des Knabens lachen,
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Bringt einen starcken Packt von Krausens Schmiererey
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Und schneidet, mir dadurch die Stunden kurz zu machen,
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Die Frucht des Müßiggangs zu Fidibus entzwey.
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Bald spricht mir Venus zu und singt mir in die Flöthe,
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Bis sie den hohlen Thon der frühen Glocke hört
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Und uns das Rosenpferd der frühen Morgenröthe,
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In der Vertrauligkeit verbuhlter Lieder stört.
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O seelig-hoher Stand! Gott woll es nie verhängen,
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Daß mir der Delius eh als mein Geist entflieh!
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Es mag mich Wind und Sturm und Bliz und Hagel drängen,
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Ich liebe meinen Reim, so lang ich Athem zieh.
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Daß mich kein Purpurtuch nach der Geburth empfangen,
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Als ich den ersten Blick in dieses Leben that,
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Daß meine Zimmer nicht mit den Spalieren prangen,
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Worauf der stolze Fuß des reichen Croesus trat,
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Daß mir des Adels von den Nahmen nicht verlängert,
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Daß mich des Himmels Gunst als ihren Stiefsohn hält,
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Daß kein erworbner Schweiß den leeren Kasten schwängert
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Und mir kein theurer Wein den Magen aufgeschwellt,
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Dies alles, edler Freund, ist mein geringster Kummer,
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Da mir der Helicon sein schattig Thal erlaubt
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Und deßen stiller Hayn durch einen sanften Schlummer
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Und mancher süßer Traum die Qual von außen raubt.
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Ich gönn es andern gern, bey Hofe groß zu werden
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Und vor dem Spiegel sich in weicher Tracht beschaun,
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Es fahre Cunz und Max mit drey Paar weißen Pferden,
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Es las ihm Thrax ein Haus von Alabaster baun,
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Kein eifersücht'ger Gram soll mich darüber drücken,
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Und meine Niedrigkeit sieht auf der hohen Bahn
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Den Wachsthum ihres Thuns mit unverwandten Blicken
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Als ein Versuchungsbret und einen Fallstrick an.
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Ein kräftiger Verstand, ein Alter ohne Sorgen,
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Ein Ehstand sonder Hohn, mein treues Saythenspiel,
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Ein klein- und eigner Herd, ein Leben ohne Borgen
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Und ein gesunder Leib sind meiner Wüntsche Ziel.
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Wie aber, daß ich mich ins Schreiben so verliebe?
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Ich halte dich, mein Freund, von beßrer Arbeit ab;
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Geh, warthe deines Amts, das einem Stundendiebe,
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Der ich jezt worden bin, so viel Gehöre gab.
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Der Seegen aus der Höh sey stets mit deinem Fleiße,
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Auf deßen Würckung sich schon mancher Krancker freut;
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Es ehre dich der Kranz der grundgelehrten Pleiße,
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Der Seine, Maas und Thems nicht mehr die Spize beuth.
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Ist es dein Bruder werth, so seze deine Güte,
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Die mich ermuntern kan, nicht sonder Zusaz fort
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Und suche stets bey mir ein redliches Gemüthe,
148 
Das diesen Wahlspruch führt: Das Herze wie das Wort.
149 
Die Nahmen, so sich jezt in meinen Vers nicht schicken,
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Bekommen ebenfalls den Gruß von meiner Hand.
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Erinnre, daß sie nie den Sinn zu Grabe schicken,
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Mit dem uns Schweidniz schon auf ewig fest verband.
153 
Kommt ihr von ohngefehr in Fröhligkeit zusammen,
154 
Leert auf mein Wohlergehn bisweilen Glas und Krug;
155 
Gebraucht der Frühlingszeit, kühlt eure Jugendflammen
156 
Und sprecht von Günthern nur: Er ist noch gut genug.

Details zum Gedicht „An einen andern guten Freund“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
156
Anzahl Wörter
1309
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Johann Christian Günther ist der Autor des Gedichtes „An einen andern guten Freund“. Im Jahr 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Zwischen den Jahren 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die europäische Stilepoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die wir heute als Barock bezeichnen, leitet sich aus dem Portugiesischen ab. Das portugiesische Wort stammt ursprünglich aus dem Juwelierhandwerk und heißt auf Deutsch „unregelmäßige, schiefrunde Perle“. Das Leben der damaligen Zeit war geprägt vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) und der Pest. Die Menschen lebten in schwierigen Verhältnissen. Adelige erlaubten sich einen luxuriösen Lebensstil, wohingegen das normale Volk von Armut geplagt war. Die Fürsten wollten immer mehr Einfluss auf Erziehung und Lebensstil erlangen. Bauernaufstände und Unruhen führten jedoch zu einem langsamen Umdenken der Menschen und zu einem zunehmenden Selbstbewusstsein. Der Barock zeichnet sich vorwiegend durch die Antithetik, also einem von Gegensätzen und Widersprüchen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es im Barock vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Jenseits und Diesseits, Tugend und Wollust oder Weltzugewandtheit und Weltverneinung. In der Dichtung des Barocks trat das Deutsche an die Stelle des Lateinischen, welches die Sprache der bedeutendsten deutschen Lyriker im 16. Jahrhundert gewesen war. Dennoch war auch weiterhin die Elite Träger der Literatur. Zu den wichtigen Schriftstellern der Literaturepoche des Barocks zählen: Martin Opitz, Casper von Lohenstein, Andreas Gryphius, Grimmelshausen, Paul Fleming, Caspar Ziegler, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Angelus Silesius.

Das Gedicht besteht aus 156 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 1309 Worte. Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Was man von galanten Kindern“, „Ich will lachen, ich will scherzen“ und „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An einen andern guten Freund“ weitere 264 Gedichte vor.

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