An Herrn Christ. Gotth. Birnbaum von Johann Christian Günther
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Vergieb auch meiner Menschligkeit |
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Die Schwachheit angebohrner Triebe, |
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Kraft derer ich den Ruhm der Zeit |
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Und unser Angedencken liebe. |
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Ich lieb und such es, edler Freund, |
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Ich trag ein sehnliches Verlangen, |
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Den Kranz der Musen zu empfangen, |
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Der immer frisch und grün erscheint. |
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Wer mein Gemüthe nicht erkand, |
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Der dürfte solchen Hochmuth schelten. |
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Allein wer wüntscht nicht diesen Stand? |
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Der Schlechtste will doch etwas gelten. |
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Geschieht es sonder andrer Last, |
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So hat die Ehrsucht keinen Tadel; |
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Darauf beruht des Menschen Adel, |
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Wenn sein Gedächtnüß Wurzel fast. |
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Die Hand voll Jahre macht nicht viel |
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Und heist warhaftig kaum ein Leben; |
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Den Klugen ist ein längres Ziel |
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Und eine reichre Zahl gegeben. |
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Der Wuntsch bleibt also fromm und rein, |
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Vom Himmel um den Nahmen bitten, |
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Wodurch wir an Verstand und Sitten |
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Der späten Welt Exempel seyn. |
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Ein Kiel, der arme Leute macht, |
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Verewigt sich mit fremdem Schaden |
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Und denckt ihm die Vergeßungsnacht |
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Mit Schweiß und Blute wegzubaden. |
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Es gräbt das ungerechte Schwerd |
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Sein Denckmahl auf entfleischte Beine, |
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Als wären keine schlechte Steine |
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Der Tittel seines Wütens werth. |
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Ein unversöhnlicher Achill |
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Vergöttre seines Eifers Thaten, |
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Er zürn und kämpfe, wie er will, |
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Ins Buch der Helden zu gerathen; |
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Es stifte Tilly Mord und Weh, |
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Es breite Wallstein Kränz und Palmen, |
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Damit er unter Siegespsalmen |
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Der Nachwelt in die Ohren geh. |
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Die Grausamkeit fällt nicht auf mich; |
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Ich lobe den gelehrten Frieden |
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Und deßen Arbeit, welcher sich |
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Mit Ruh vom Pöbel unterschieden. |
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Euch mein ich, längstverblichne Schaar, |
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Euch mein ich, ihr verliebten Dichter, |
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Es werden eurer Nahmen Lichter |
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Erst durch des Todes Schatten klar. |
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O, nehmt doch auch mein Haberrohr |
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Und sezt es hinter eure Flöthen; |
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Es greift, ihr seht es, keinem vor |
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Und hat geringen Plaz vonnöthen. |
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Mein Birnbaum hat es recht geschlizt; |
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Verehrt es doch nur dem zu Ehren, |
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Von dem wir Deutschen künftig hören, |
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Daß ihm die Lieb ein beßres schnizt. |
Details zum Gedicht „An Herrn Christ. Gotth. Birnbaum“
Johann Christian Günther
7
56
310
1717
Barock
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An Herrn Christ. Gotth. Birnbaum“ des Autors Johann Christian Günther. Im Jahr 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1717 zurück. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Barock zuordnen. Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Die Literaturepoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die wir heute als Barock bezeichnen, leitet sich aus dem Portugiesischen ab. Das portugiesische Wort stammt ursprünglich aus dem Juwelierhandwerk und heißt auf Deutsch „unregelmäßige, schiefrunde Perle“. Die Literaturepoche des Barocks ist durch ein zentrales Ereignis geprägt, dem Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648. Durch die schwachen sanitären Bedingungen konnten sich Seuchen rasend ausbreiten. Rund dreißig Prozent der Bevölkerung kamen durch den Krieg und grassierenden Seuchen, wie etwa der Pest, ums Leben. Durch die immense Verminderung der Bevölkerung schwächte sich das wirtschaftliche Leben zunehmend ab. Die Epoche des Barocks zeichnet sich insbesondere durch die Antithetik, also einem von Gegensätzen und Widersprüchen geprägtem Bewusstsein, aus. Durch die Antithetik kommt es in der Literatur des Barocks vermehrt zur Verwendung von Gegensatzpaaren, wie zum Beispiel: Jenseits und Diesseits, Tugend und Wollust oder Weltverneinung und Weltzugewandtheit. Die Dichter der Renaissance schrieben noch auf Lateinisch, die Autoren der Literaturepoche des Barocks begannen, ihre Werke in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Wichtige Vertreter des Barocks waren etwa: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Martin Opitz, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Christian Weise und Andreas Gryphius.
Das vorliegende Gedicht umfasst 310 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Rosen“, „So aber sucht man ihm die Wege vorzuschreiben“ und „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An Herrn Christ. Gotth. Birnbaum“ weitere 264 Gedichte vor.
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