An Herrn Michael von Johann Christian Günther

Du meintest nechster Zeit, getreu- und edler Freund,
Ich scherzte gar zu viel mit meinen Castalinnen
Und sollte, da ohndem mein Glücksstern dunckel scheint,
Nunmehr auch mit Bedacht auf Ernst und Nachdruck sinnen.
Dies war ein guter Rath, den Lieb und Freundschaft gab.
Wohlan, ich leg an dir die ersten Proben ab
Und gebe dir hiermit durch Kuß und Abschiedslieder
Das Zeugnüß und den Ruhm getreu- und edler Brüder.
 
Die Warheit, so jezt kommt, entspringt aus Redligkeit,
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Der Neid mag noch so sehr das hohe Gleichnüß schelten:
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Augustus gab vor dem den Dichtern güldne Zeit
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Und lies ihr Saythenspiel gewis nicht wenig gelten.
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Das Dancklied, so Horaz vor solche Gnade sang,
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Das wiederholt auch jezt mein schlechter Flöthenklang;
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Denn prahlt gleich Beuchelts Haupt mit keiner Kaysercrone,
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So fodert doch sein Herz nicht minder Lob zum Lohne,
 
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Sein Herz, sein ehrlich Herz, das mich ganz fremden Gast
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Mit gutem Rath und Schuz so angenehm empfangen,
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Die Musen auf der Flucht mit Hülf und Trost umfast
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Und ihnen überall mit Liebe nachgegangen.
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Und wie Mäcenas dort der Wißenschaften Preis
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In seines Kaysers Brust klug zu erhalten weis,
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So bistu, edler Freund, vor meinen Musenorden
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Bey Beuchelts Herz und Haus auch oft Mäcenas worden.
 
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Verbleib es auch forthin und liebe meine Kunst;
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Sie ist ein armes Kind und muß sich furchtsam schmiegen.
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Verdien ich in der Zeit von Gott noch eine Gunst,
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So wird es sein Entschluß vor mich so glücklich fügen,
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Daß Beuchelt, du, die Welt und selbst die Warheit seh,
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Wie weh ins dritte Jahr mir durch mich selbst gescheh
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Und wie so wenig ich das, was ich andern gönne,
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Mit allem Wuntsch und Flehn vom Glück erhalten könne.
 
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Indeßen, da ich auch dein Schuldner bleiben muß
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Und nicht vermögend bin, das Capital zu legen,
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So nimm hier vor den Zins des Seegens Überfluß;
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Mein Wuntsch begleitet dich auf allen deinen Wegen.
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Sieh meiner Schwachheit nach, wozu die Noth oft zwingt,
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Und wiße, wo uns noch ein Stern zusammenbringt,
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Da soll manch Abend uns den alten Gram vertreiben.
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Wo dies nicht ernstlich ist, so weis ich nichts zu schreiben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An Herrn Michael“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
348
Entstehungsjahr
1722
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An Herrn Michael“ des Autors Johann Christian Günther. Der Autor Johann Christian Günther wurde 1695 in Striegau geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1722. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock im Sinne eines Adjektivs wurde zunächst abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Epochenbezeichnung konnte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzen und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Die Zeit des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg stark beeinflusst – Hunger, Seuchen (insbesondere die Pest), Vergewaltigung und Tod sorgten für großes Leid bei der Bevölkerung Europas. So dezimierte sich die Bevölkerung in Deutschland von etwa 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Elend und Krieg lösten in der Bevölkerung ein tiefes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Im Gegensatz dazu lebten die alleinigen, absolutistischen Herrscher in protzigen Luxus und ließen sich Prunkschlösser errichten. Diese Gegensätze von Todesangst und Lebenslust bzw. Armut und Luxus ließen sich auch in der Barockliteratur ausmachen. In der Lyrik wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Die am meisten verwendeten Formen in der Poesie waren das Sonett, die Elegie, das Epigramm und die Ode. In der Literatur des Barocks begannen die Dichter ihre Werke in Deutsch zu verfassen. Die Dichter der Renaissance schrieben noch auf Lateinisch. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Beamte und Adelige. Berühmte Lyriker des Barocks sind etwa Andreas Gryphius, Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 348 Worte. Die Gedichte „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“, „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“ und „Was man von galanten Kindern“ sind weitere Werke des Autors Johann Christian Günther. Zum Autor des Gedichtes „An Herrn Michael“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.

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