Zuruf eines seeligen Kindes aus der Ewigkeit an seine hochbetrübte Eltern von Johann Christian Günther
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Crönt, werthen Eltern, meine Leiche |
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Mit Myrthen, Rosen und Jasmin, |
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Und last die schönsten Blumensträuche |
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Auf meiner frühen Bahre blühn, |
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Nachdem der Engel Siegeswagen |
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Mich ins gelobte Land getragen. |
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An mir ersaht ihr mit Erbarmen |
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Den schwersten Kampf der lezten Noth. |
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Es rungen die geschwächten Armen |
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Mit Jammer, Unruh, Angst und Tod, |
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Und durch die abgezehrten Glieder |
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Lief Schmerz und Elend hin und wieder. |
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Riß damahls euer Herz in Stücken |
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Und wollt euch aller Trost entfliehn, |
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Da meiner Finger scharfes Zücken |
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Der Eitelkeit zu wincken schien, |
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So gebt euch jezo nur zufrieden, |
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Das Elend ist mit mir verschieden. |
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Last Perlen statt der Thränen fallen, |
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Die Unschuld braucht sie in mein Kleid. |
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Ach, hörtet ihr die Lieder schallen, |
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Woran sich jezt mein Ohr erfreut, |
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Ihr würdet euch des Klagens schämen |
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Und um mein Glücke wohl nicht grämen. |
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Was hätt ich euch vor Müh und Kummer |
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Vielleicht auf Erden noch gemacht, |
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Wofern mich nicht der lezte Schlummer |
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So zeitig in die Ruh gebracht! |
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Wie mancher Sorgen und Beschwerden |
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Entladet euch mein Grab auf Erden! |
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Jezt bin ich der Gefahr entflogen, |
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Womit die List der bösen Welt |
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So wie des wilden Meeres Wogen |
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Die Jugend oft in Abgrund schnellt. |
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Jezt kan mich weiter nichts verführen, |
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Ihr aber mich nicht mehr verlieren. |
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Legt also dem entseelten Leibe |
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Das Kleid der grünen Hofnung an; |
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Denn weil ich euch zum Zeitvertreibe |
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Auf Erden nicht mehr dienen kan, |
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So werd ich hier bey Salems Schäzen |
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Euch einmahl desto mehr ergözen. |
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Liegt irgendwo in eurer Kammer |
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Ein Spielwerck oder Kleid von mir, |
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So denckt dabey an meinen Jammer |
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Mit diesem Troste: Weit von hier, |
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Von hier, wo Herrligkeit und Leben |
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Mein nicht mehr schwaches Haupt umgeben. |
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Hier wird die eingefallne Scheitel |
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Mit Glanz und Klarheit angefüllt, |
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Bey euch ist aller Reichthum eitel, |
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Da hier mein Wechsel ewig gilt, |
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Mein Wechsel, der nach wenig Tagen |
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Den besten Wucher eingetragen. |
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Es rührt mich weder Qual noch Schröcken |
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In Gottes weiser Allmachtshand, |
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Was wir hier hören, sehn und schmecken, |
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Ist euren Sinnen unbekand. |
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Ach, gönnt doch eurem lieben Sohne |
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Die Freyheit vor des Lammes Throne. |
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Lobt den, durch deßen Vatergüte |
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Mein zeitlich Creuz so bald vergeht, |
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Und glaubt, daß mein getreu Gemüthe |
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Vor Gott auch euer Lob erhöht. |
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Hier rühm ich mit dem reinsten Triebe |
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Die Sorgfalt mir erwiesner Liebe. |
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Mit diesem Dancke nehmt vor Willen, |
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Und seht mir in den Himmel nach, |
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So wird sich alle Wehmuth stillen, |
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Wormit ich euch das Herze brach. |
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Lebt wohl! Und wüntscht ihr mehr zu hören, |
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So kommt fein bald zu unsern Chören! |
Details zum Gedicht „Zuruf eines seeligen Kindes aus der Ewigkeit an seine hochbetrübte Eltern“
Johann Christian Günther
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419
1695 - 1723
Barock
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichtes „Zuruf eines seeligen Kindes aus der Ewigkeit an seine hochbetrübte Eltern“ ist Johann Christian Günther. 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Zwischen den Jahren 1711 und 1723 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Bei Günther handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Epoche der Barockliteratur, die sich in Deutschland während und nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete. Der Dreißigjährige Krieg begann 1618 und endete im Jahr 1648. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden weite Teile Deutschlands zerstört. Die Bevölkerung, damals durch ein starkes soziales Gefälle zwischen Hof und Provinz geprägt, litt folglich unter den katastrophalen Kriegseinwirkungen. Viele Menschen starben an den Folgen der Pest und des Krieges. Die Literaturepoche des Barocks wurde davon stark beeinflusst. Die Literatur des Barocks ist stark geprägt von der Antithetik. Das heißt, die Menschen der damaligen Zeit nahmen ihre Welt als widersprüchlich und gegensätzlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Armut, Krieg und Krankheit geprägt. An den Fürstenhöfen herrschten dennoch Verschwendung und Luxus. Im Zeitalter des Barocks löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Theologen, Akademiker, Adelige und Beamte. Berühmte Autoren des Barocks sind insbesondere Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.
Das vorliegende Gedicht umfasst 419 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 72 Versen. Die Gedichte „Warum man mich in keiner Kirche sieht?“, „Kein Schulpferd ist so gut zum Springen abgericht“ und „Was man von galanten Kindern“ sind weitere Werke des Autors Johann Christian Günther. Zum Autor des Gedichtes „Zuruf eines seeligen Kindes aus der Ewigkeit an seine hochbetrübte Eltern“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.
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Zum Autor Johann Christian Günther sind auf abi-pur.de 264 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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