Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat von Johann Christian Günther

Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat
Von einer kühnen Faust zu Dero werthen Händen.
Mein Geist, so Dero Gunst bey sich verehret hat,
Will die Verschwiegenheit mit diesem Feste enden;
Er bricht vor Freudigkeit in diese Worte aus:
Welch Glücke crönt dich jezt, hochadeliches Haus!
 
Vergnügung zieht bey dir mit vollen Seegeln ein,
Ein hohes Nahmenslicht beglückt die frohen Stunden,
Der Himmel will dich selbst mit seiner Huld erfreun,
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Es hat im Herbste sich der Sommer eingefunden;
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Wer ist, der dich, o Tag, nach Würdigkeit besingt
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Und dir, wie sichs gebührt, ein Freudenopfer bringt?
 
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Hier ist ein schlechtes Lied, ich muß es selbst gestehn,
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Die Verse fließen nicht, die Feder ist verdorben;
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Ich Armer mühe mich, die Sonne anzusehn,
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Da doch vor großem Glanz mein Auge fast erstorben:
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Ein Adler sollte hier, nicht schlechte Tauben, seyn,
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Sonst blendet sie gar leicht ein mehr als heller Schein.
 
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Doch, hohe Gönnerin, vor der sich jeder bückt,
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Der so vollkommne Gunst wie ich bereits genoßen,
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Sie nehmen gütigst an, was meine Feder schickt,
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Da mir von Dero Hand so manches zugefloßen.
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Wird gleich Ihr kluger Sinn durch diesen Reim verlezt,
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So wird der Fehler doch durch meinen Wuntsch ersezt.
 
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Es fordert meine Pflicht, die Wohlgewogenheit,
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Womit Sie mich bedacht, mit Dancken zu erkennen,
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Je mehr ein jeder fast die schnöde Dürftigkeit
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Ein groß Verhindernüß der Tugend pflegt zu nennen;
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Bringt nun Studirenden der Mangel Qual und Pein,
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So muß mir selber auch ein harter Anstoß seyn.
 
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Ich ehre diesen Tag des Himmels festen Schluß,
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Durch den mein schlechter Kopf die freyen Künste liebet;
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Ach aber, daß ich selbst dabey beklagen muß,
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Daß er mir zwar den Trieb, doch karge Mittel giebet.
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Wie wird nicht alle Kunst und Weißheit oft verlezt,
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Wo sich das schwere Joch, der Mangel, hat gesezt!
 
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Was aber klagt mein Sinn den treuen Himmel an?
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Er zeigt mir ja bereits geneigte Freudenblicke.
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Seht, was des Höchsten Huld und deßen Sorgfalt kan:
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Die von der Dürftigkeit mir angelegten Stricke
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Reißt eine hohe Hand in Hofnung fast entzwey
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Und macht von Kümmernüß die arme Muse frey.
 
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Ein Nebel, den die Macht der Armuth angericht,
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Verhüllte meinen Sinn in eitel schwarze Nächte,
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Ich hofte immerzu auf ein erwüntschtes Licht,
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Das mir durch seinen Schein vergnügte Hülfe brächte.
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Mein Hofen war umsonst, mein Wuntsch ward nicht erfüllt,
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Es blieb mein banges Herz mit Dunckelheit umhüllt.
 
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Bis jezt ein heller Glanz durch dies Gewölcke dringt,
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Ein Glanz, der seinen Schein von Ihrer Huld bekommen,
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Der die gehofte Ruh mit vollem Lichte bringt,
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Der alle Dämmerung von mir hinweggenommen;
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Da sich ein Götterglanz auf meine Muse lenckt,
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So fällt der Kummer hin, der mich zuvor gekränckt.
 
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Hochwohlgebohrne Frau, es wird der matte Kiel
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Fast ganz und gar geschwächt, wenn er das will beschreiben,
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Womit Sie ihn beglückt; der Wohlthat ist zu viel,
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Drum muß er leider nur bey seiner Stille bleiben.
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Mein Mund erblast und schweigt, sobald er das bedenckt,
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Was Dero hohe Hand auf mich bisher gelenckt.
 
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Wie sollte dann nun nicht mein Herze fröhlich seyn,
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Da mich der Himmel läst Ihr Nahmensfest begehen,
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An dem die Gratien selbst frische Rosen streun,
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Wo Pracht und Herrligkeit verknüpft beysammen stehen,
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An dem sich überall ein hoher Stand vergnügt,
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Den keiner Ahnen Ruhm und Alterthum besiegt?
 
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Der Himmel müße dir, o Fest, gewogen seyn,
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Kein wüster Unglückssturm soll deine Freude stören,
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Kein blaßer Todesfall reiß dein Vergnügen ein,
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An dir soll man von nichts als lauter Seegen hören,
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Erfreut sey, wer den Tag mit Lob und Dancken crönt,
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Bethört, wer seinen Glanz mit Ungemach verhöhnt!
 
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Dein Ruhm vergeht niemahls, dein Marmor trozt die Zeit,
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Die späte Nachwelt wird von deiner Hoheit wißen,
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Der Nahme HEDWIG hat ein Denckmahl dir bereit,
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Das die verjüngte Welt stets wird verwundern müßen;
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So lange Hedwig man in dem Calender list,
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So lange sey dies Haus zu stetem Flor erkiest!
 
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Hochwohlgebohrne Frau, hochwerthe Gönnerin,
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Es müße Sie die Huld des Himmels überschatten!
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Der Höchste bringe Sie nach langer Zeit dahin,
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Wo Lust und Anmuth sich ohn alles Ende gatten.
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Ich nehme lebenslang an Dero Wohlfahrt Theil.
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Gott überschütte Sie mit stetem Glück und Heil!

Details zum Gedicht „Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
84
Anzahl Wörter
683
Entstehungsjahr
1711
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Johann Christian Günther ist der Autor des Gedichtes „Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat“. Geboren wurde Günther im Jahr 1695 in Striegau. 1711 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Barock zu. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Epoche der Barockliteratur, die sich in Deutschland während und nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) entfaltete. Als Bezeichnung der Epoche wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Durch die Pest starben ca. 30 % der Bevölkerung. Auch der Dreißigjährige Krieg führte zu einem politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verfall in Deutschland. Dennoch lebten die Fürsten einen luxuriösen und ausschweifenden Lebensstil vor. Sie nutzten das Durcheinander nach dem Dreißigjährigen Krieg, um eine Neuordnung der Gebiete vorzunehmen und ihre Macht weiter auszubauen und zu festigen. Die Literatur des Barocks ist stark beeinflusst von der Antithetik. Das heißt, die Menschen nahmen ihre Welt als gegensätzlich und widersprüchlich war. Das Leben der einfachen Bevölkerung war von Krieg, Krankheit und Armut geprägt. Bei den Adeligen herrschten jedoch Verschwendung und Luxus. In der Barockliteratur löste die deutsche Sprache das Lateinische ab. Im Barock war der größte Teil der Literatur Gelegenheitsdichtung. Man schrieb zur gehobenen Unterhaltung oder bei Hofe zur Fürstenhuldigung. Für wohlhabende Bevölkerungsschichten schrieben Lyriker für Beerdigungen, Taufen oder Hochzeiten. Die Lyrik der Literaturepoche des Barocks wird deswegen auch als Gesellschaftsdichtung bezeichnet.

Das 683 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 84 Versen mit insgesamt 14 Strophen. Der Dichter Johann Christian Günther ist auch der Autor für Gedichte wie „Am Abend“, „Abendlied“ und „Rosen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat“ weitere 264 Gedichte vor.

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