Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht von Johann Christian Günther

Nimm, Winckler, nimm den Wuntsch von einer Feder an,
Die keinen zwar vergnügt, doch lieblich reimen kan.
Zerreißt die Misgunst ihr hierüber gleich die Ficke,
So bleibet dennoch nicht mit seiner Pflicht zurücke
Johann Christian Günther, Stregensis.
 
Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht,
Weil ein Gelehrter sich an einen Schulfuchs macht,
Der, wie die Misgunst spricht, der Ruthe kaum entgangen.
Heist das die Hasen nicht auch auf dem Pflaster fangen,
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Wenn man die Hunde gleich dazu im Busen trägt?
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Denn warlich, welcher nur vernünftig überlegt,
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Wie mich vor kurzer Zeit ein ungereimter Bogen
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Mit meiner Pfuscherey im Dichten durchgezogen
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Und wie ein Zoilus, wenn ihn der Küzel sticht,
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Die Ursach zum Verdruß oft von dem Zaune bricht,
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Der wird nicht ohne Grund aus diesen Dingen schließen,
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Daß einen solchen Kopf die Würmer plagen müßen
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Und daß vor diese Qual nichts beßer zur Arzney
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Als eine Handvoll Salz und Niesewurzel sey.
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Halt inne, das Recept gebiehrt hier nichts als Rache,
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Die Berge rauchen schon, das Feuer ist im Dache.
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Ich sehe, wie die Laus dem auf der Stirne lauft,
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Der zur Apologie ein Reimregister kauft,
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Nachdem er kurz vorher die Leyer weggeschmißen
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Und bey dem Reimen sich die Nägel abgebißen.
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Doch nein, ich schweige nicht, das Unrecht ist zu groß
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Und die Gedult zu klein, der Eifer bricht nun los,
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Anjezo nicht so wohl das Wort vor mich zu sprechen,
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Als gegen einen Pan der Musen Schimpf zu rächen.
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Wohlan, Calliope, errette dich und mich
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Von dieser Frevelthat, sonst wird man sicherlich
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Den muntern Pegasus noch endlich zum Wallachen
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Und deine Schwestern gar zu lauter Huren machen.
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Ein Klügling, welcher kaum das griechsche Jota kennt
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Und etwan zwey bis drey gelehrte Männer nennt,
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Denckt, wenn er den Donat bis auf den Band gefreßen
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Und bey der Fabel sich in Schulen gar verseßen,
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Ja, wenn er hochmuthsvoll mit Winde schwanger geht
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Und mit genauer Noth den Calepin versteht,
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Sein Nahme müße noch ein Wunderwerck auf Erden
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Und in der neuen Welt ein Staatsoracul werden.
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Von Grillen schwermt der Kopf, von Weißheit strozt der Bauch,
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Den Griechen ist er feind, und wie man durch den Rauch
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Den Bienenschwarm vertreibt, so läst er sich verjagen,
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Man darf den Weller ihm nur vor die Augen tragen.
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Das Alphabet klingt ihm als ein Beschwörungsthon,
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In Hippocrene sezt er flugs ein Ypsilon,
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Und Bacchus selber kommt durch ihn in Märtrerorden,
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Weil ihm, o Grausamkeit, ein C. gestohlen worden.
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Aus Einfalt tadelt er, was er nicht lernen kan,
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Und greift das Musenchor mit Lästerworten an,
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Als wollte sich ein Zwerg durch Spotten und Verlachen
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An den Poeten bald zu einem Riesen machen,
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Da der Geringste doch aus ihrer edlen Zunft
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Mehr Weißheit, mehr Verstand, mehr Klugheit und Vernunft
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Im kleinen Finger trägt, als dieser im Gehirne
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Und in dem Herzen führt. Erbose dich und zürne,
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Herr Momus, wie du wilst, hier ist noch eine Nuß,
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An welcher sich dein Zahn im Beißen üben muß.
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Poeten, giebstu vor, sind meistens naße Brüder,
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Und dennoch leugnestu die Warheit ihrer Lieder.
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Wie aber reimt sich das mit dem, was Sirach spricht:
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Ein truncken Herze weis von keiner Lüge nicht?
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Jedennoch könt ich nur durch warhaftige Lügen
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Bald ein geschwänztes P. in meinen Titul kriegen,
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So spräch ich heute noch: Dein Mischmasch ist ein Blat,
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Das seines gleichen nicht an der Erfindung hat.
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So aber giebt Horaz mir immer diese Lehre,
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Daß zu dem Dichten mehr als so ein Schnidt gehöre,
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Und in der edlen Kunst ein bloßer Stümper seyn,
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Flicht in den Lorbeerkranz oft Hasenpappeln ein.
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Verdaut dein Magen nicht dergleichen grobe Pillen
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Und kanstu nicht vor Zorn das Gallenfieber stillen,
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So lege dir die Schuld von dieser Kranckheit bey
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Und wiße, daß der Mensch ein Schmied des Glückes sey,
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Das ihm begegnen soll. Den frechen Kiel zu schärfen
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Und, was man selber thut, den andern vorzuwerfen,
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Den Pindus überdies verspotten und entweihn
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Und in den Musenquell Verachtungsgeifer spein,
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Heist sich ein blanckes Schwerd auf seinen Nacken schleifen
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Und wie ein zartes Kind selbst in das Meßer greifen.
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Das Oculistenschild hastu nechst ausgehenckt,
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Als du die Salbe mir vor meinen Staar geschenckt.
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Des Nechsten Splitter soll dir deine Balcken decken
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Und andrer Blöße dich und deine Scham verstecken.
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Ach aber, weit gefehlt, des Phoebus Lorbeerast
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Giebt dir kein Feigenblat, drum mache dich gefast,
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Den Polyhistorkram vom Pindus wegzutragen,
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Eh dich die Musen noch aus ihrer Wohnung jagen.
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Ihr aber, deren Maul von Misgunst gischt und schäumt,
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Glaubt, daß Apollo schon vor euch die Clause räumt;
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So hof ich in der Welt noch dieses zu erleben,
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Daß man am Helicon euch wird die Pritsche geben.
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Dir, Bruder, gilt nunmehr das allerlezte Wort;
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Nimm dieses als ein Pfand von unsrer Freundschaft fort,
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Der noch bis jezund nichts als Maas und Ende fehlet.
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Dein Abschied, welcher mich durch unsre Trennung quälet,
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Ist, seit der Umgang mir dich zu erkennen giebt,
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Vorwahr das einzige, womit du mich betrübt
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Und zum Verdruß gebracht; du wustest meinen Willen
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Und ich den deinigen nach Wüntschen zu erfüllen.
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Wie manchmahl lachten wir der Thorheit dieser Welt,
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Die oftmahls Glas vor Gold und Bley vor Silber hält.
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Wir merckten, daß man auch die allerbeste Sache
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In Rechten öfters krumm und fünfe grade mache.
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Aus Kleinem schloßen wir, wie es im Großen geh,
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Und sahen manchen Greiß, der noch das A.B.C.
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Der Klugheit buchstabirt, den Kindern sich vergleichen.
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Die Übung wies es uns, daß, einen Mohr zu bleichen
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Und einen rechten Freund zu suchen, einerley,
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Ja dieser leztere zu finden schwerer sey.
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Mein Winckler, zürne nicht, ich sage, was ich dencke,
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Und wenn ich auch den Neid dadurch zu Tode kräncke.
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Zwar, wer jezund den Fuchs nicht nach den Haaren streicht
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Und dennoch seine Kuh nicht bey dem Schwanze zeucht,
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Der mache sich geschickt, bey Zeiten einzupacken,
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Soll ihm die Schwarte nicht von mancher Husche knacken.
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Jedoch die Warheit redt und nimmt kein Blat vors Maul,
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Die blinde Furchtsamkeit macht ihren Fleiß nicht faul,
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Der Afterwelt den Schwär des Irrthums aufzustechen
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Und bey der Finsternüß der Lügen durchzubrechen.
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Genug erfüllt das Maas, zu viel zerreißt den Sack,
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Und wenig auf einmahl macht, daß man wieder mag.
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Der Eckel und die Zeit gebiethen mir, zu schweigen
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Und meine Redligkeit nur durch ein Wort zu zeigen.
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Mein Bruder, lebe wohl! Der Wuntsch ist kurz und gut;
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Doch dencke, wo dies Blat dir kein Genügen thut,
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Daß wie ein Zapfen Eiß zu einer Ofenkrücke
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Sich dieses Carmen auch zu deinem Abschied schicke.

Details zum Gedicht „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
129
Anzahl Wörter
1071
Entstehungsjahr
1695 - 1723
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“ des Autors Johann Christian Günther. Im Jahr 1695 wurde Günther in Striegau geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1711 bis 1723 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Der Schriftsteller Günther ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der die Jahre 1600 bis 1720 umfassende Zeitraum gilt als Literaturepoche des Barocks, die sich im deutschen Sprachraum während und nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) entfaltete. Als Epochenbezeichnung wird das aus dem Portugiesischen stammende Wort „Barock“ erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Die Bevölkerung Europas entwickelte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg in verschiedene Richtungen. Der Krieg stellte dabei ein prägendes Ereignis der damaligen Zeit dar. Aber auch die Pest übte einen großen Einfluss auf die Verhältnisse der damaligen Zeit aus. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war beeinflusst von Armut und Pessimismus, während an den Fürstenhöfen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Dichtung wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Diese Gegensätzlichkeiten lassen sich bei den Motiven des Barocks finden. Im Zeitalter des Barocks wurde das Lateinische von der deutschen Sprache abgelöst. Die meisten Autoren gehörten dem Gelehrtenstand an: Akademiker, Theologen, Adelige und Beamte. Berühmte Autoren des Barocks sind beispielsweise Andreas Gryphius, Martin Opitz, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 1071 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 129 Versen. Die Gedichte „Rosen“, „So aber sucht man ihm die Wege vorzuschreiben“ und „Der Unruh wird noch mehr, wenn Wieg- und Nahmenfest“ sind weitere Werke des Autors Johann Christian Günther. Zum Autor des Gedichtes „Gedacht und auch geschehn. Ihr Pierinnen lacht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 264 Gedichte vor.

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