Aloys von Achim von Arnim

»Wer rasselt mit den Ketten
Auf Arburg in dem Schloß,
Eilt keiner ihn zu retten,
Sein Blut schon röthlich floß?«
Die Folter hats getrunken,
Er rufet: Tröste dich,
Der Tag ist bald versunken
Auf Rosen liege ich.
 
Ihr grüßt mich Abendstrahlen
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Gefärbt mit meinem Blut,
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Die Rache mir zu malen,
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Zu wecken meinen Muth,
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Ich höre Abendlieder
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In einsam stillen Thal,
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Ich sehe Rosen wieder
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Am Berg im Abendstrahl.
 
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O sieh die Alpenrose,
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Der lieben Freiheit Bild,
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Mein Röschen auf dem Moose.
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Uns deckt das blaue Schild,
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Das milde ausgespannet
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Der Freiheit Streiter lohnt,
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Wer von der Welt verbannet,
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Auf hohen Alpen thront.
 
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Wir haben treu gestritten
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Für unser heilig Recht,
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Und was wir hier erlitten,
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Gerechte Nachwelt rächt:
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Auf denk der ältern Brüder,
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Der Todten Seligkeit,
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Wir sehen heute wieder
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Den Tell, der uns befreit.
 
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Du siehst das Eiland scheinen,
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So still im milden See,
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Drei Palmen zu vereinen,
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Auf seiner stillen Höh;
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Es grünen ihre Blätter
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Im Tode Siegertrost,
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Die Freiheit siegt im Wetter
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Im Blitzstrahl und im Frost.
 
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Es gehen in dem Schatten
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Die drei vom alten Bund,
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Was sie geschaffen hatten
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Geht wahrlich nicht zu Grund:
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Das Alphorn soll erschallen,
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Zum hohen Strafgericht,
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Die Feinde sollen fallen,
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Wenn unsre Kette bricht.
 
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Mein Aloys ich höre,
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Spricht Werner, Unken schrei'n,
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O sehe ich beschwöre
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Des Hochgerichtes Schein:
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Da winket keine Palme,
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Es rauscht das gelbe Laub,
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Am Felsen dürre Halme,
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Sind schon der Winde Raub.
 
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So sollen wir verwehen,
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Wenn wir hier nicht bekannt,
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Da sollen wir vergehen
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Wenn wir sie nicht genannt:
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Die sich in Tells Kapelle
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Mit uns zum neuen Bund
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Verschworen an der Stelle,
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Wo Tell entfloh gesund.
 
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Wir können nicht entfliehen
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Drei Pfeiler seh ich stehn,
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Die Todtentänze ziehen,
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Mein Weib nur möcht ich sehn:
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Sieh das ist unser Himmel,
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Da steigen wir hinan,
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Der Geister bunt Gewimmel,
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Schaut uns schon grüßend an.
 
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Vergebens sind gestorben
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Die Edlen in dem Kampf,
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Der Feind hat schlau erworben,
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Den Preis von unserm Kampf:
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Verträge schlau gebrochen,
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Durch Falschheit uns besiegt,
79 
Die Freiheit ist gebrochen,
80 
Ihr Held in Ketten liegt.
 
81 
Ach alles ist verloren,
82 
Die Freiheit zog nun fort
83 
Wo sie vom Tell geboren,
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Genährt in heil'gem Ort:
85 
Dem Sommer folgen Schauer,
86 
Der Berge Haupt wird weiß,
87 
Der Winter auf der Lauer,
88 
Berühret sie schon leis.
 
89 
Der Winter wird vergehen,
90 
Spricht Aloys mit Lust,
91 
Der Frühling wird erstehen,
92 
Und Rache füllt die Brust:
93 
Und wenn wir auch gestorben,
94 
Es fließ der Henker Blut,
95 
Die Freiheit jetzt erstorben,
96 
Ersteht aus unserm Blut.
 
97 
Bewaffnet sind die Schaaren,
98 
Der Morgenstern ihr Hort,
99 
Die Nacht wird sie bewahren,
100 
Sie ziehn von Ort zu Ort.
101 
Dann sammeln sich die Brüder,
102 
Im heil'gen Gotteshaus,
103 
Dann flammen hohe Lieder,
104 
Die Freiheit hoch hinaus.
 
105 
Sie werden eingeweihet
106 
Zum Leben und zum Tod,
107 
Die Fremden bald zerstreuet,
108 
Ein Fremdling alle Noth.
109 
So sterben wir für jene
110 
Und wachen herrlich auf.
111 
Der Freiheit höchste Töne,
112 
Sind Auferstehungs-Kauf.
 
113 
Nur das will mich betrüben,
114 
Ich lasse meine Braut,
115 
Mein Röslein Feindestrieben
116 
Verlasse meine Braut,
117 
Die Treue mir geschworen,
118 
Auf's Schwert, das sie mir reicht,
119 
Ich hab das Schwert verloren,
120 
Auch Treue weicht vielleicht.
 
121 
Wer rasselt mit den Ketten
122 
Auf Arburg in dem Schloß,
123 
Eilt keiner ihn zu retten,
124 
Sein Blut schon röthlich floß?
125 
Sein Röschen hats gehöret,
126 
Als Wächter ist sie nah,
127 
Verkleidet ungestöret,
128 
Die Rettung sie ersah.
 
129 
Sie steiget in das Zimmer,
130 
Wo beide eng bewahrt,
131 
Die Rose bei dem Schimmer,
132 
Den noch der Mond bewahrt,
133 
Still lößt sie ihre Ketten
134 
Sie folgen ihr so gern,
135 
Sie hoffen sich zu retten,
136 
Er siehet seinen Stern.
 
137 
Sie steigen auf und nieder,
138 
Die Rose führt sie leicht,
139 
Auf geistigem Gefieder
140 
Der feuchte Nebel streicht.
141 
Sie redet keine Worte,
142 
Mit ihrem Bräutigam
143 
Sie horcht an jedem Orte,
144 
Ihr Haar weht ohne Kamm.
 
145 
O Rose flüstert jener,
146 
Du bist es liebe Braut
147 
Ein Engel ist nicht schöner!
148 
Sie spricht: Nur mir vertraut,
149 
Und bin ich auch verblichen
150 
Aus Gram und Angst um dich,
151 
Die Ketten sind gewichen,
152 
Die Freiheit rette ich.
 
153 
Doch bald scheint sie verschwunden
154 
Zum Morgen ging ihr Lauf,
155 
Die Täuschung reißt die Wunden
156 
Der alten Hoffnung auf:
157 
Sie wagen nicht zu regen,
158 
Den Fuß vom Boden auf,
159 
Sie beten Abendsegen,
160 
Da geht die Sonne auf.
 
161 
Sie staunen, zweifeln, fassen,
162 
Die Brüder an im Wahn,
163 
Die Brüder sie umfassen
164 
Auf ihrer Siegerbahn.
165 
Es fehlte noch der Führer,
166 
Zum kühnen Überfall,
167 
Und Aloys als Führer,
168 
Begrüßt des Alphorns Schall.
 
169 
Die Freunde ausgezogen
170 
Vom hohen Alpenland,
171 
Vom Feinde fortbetrogen,
172 
Führt jetzt des Helden Hand:
173 
Und wer ihn hat geführet
174 
Aus finsterm Schloß den Held,
175 
Die Liebe hat geführet,
176 
Die Freiheit in die Welt.
 
177 
Sein Liebchen ruht im Arme,
178 
Auf Aloys die Braut,
179 
Doch ach, daß Gott erbarme,
180 
Zugleich des Todes Braut:
181 
Die Angst hat sie erdrücket,
182 
Der Freiheit reicht der Held,
183 
Zur Leiche hingebücket,
184 
Den Arm, den sie noch hält.
 
185 
So stirbt die Mutter kreißend,
186 
Ihr Kindlein in dem Schooß,
187 
Die Lieb zum Himmel reißend
188 
Bleibt Freiheit nackt und blos:
189 
O Held auf dir gebauet
190 
Stehn wir am Felsenrand,
191 
O Fels auf dir vertrauet
192 
Der Freiheit Mutterland.

Details zum Gedicht „Aloys“

Anzahl Strophen
24
Anzahl Verse
192
Anzahl Wörter
836
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Aloys“ stammt von Achim von Arnim, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1781 bis 1831 lebte. Er war Wegbereiter und bedeutender Vertreter der Heidelberger Romantik. Dieses Gedicht lässt sich somit der Epoche der Romantik (ca. 1790-1830) zuordnen.

Auf den ersten Blick ist das Gedicht atmosphärisch-dramatisch und enthält viele naturnahe Elemente. Es erfolgt eine enge Verknüpfung von Natur- und Freiheitssymbolik, die typisch für die Epoche der Romantik ist.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um einen Kämpfer oder Helden namens Aloys, der für die Freiheit kämpft und anscheinend gefangen genommen wurde. Er scheint in einem Staatsapparat gefangen zu sein, der ihn quält, und wartet auf Rettung, welche durch eine Frau oder Geliebte zu erfolgen scheint. Nach der Befreiung wird Aloys zum Führer eines Freiheitskampfes, bevor er in einem dramatischen Akt seine Geliebte verliert.

Form-technisch handelt es sich um ein weitschweifendes episches Gedicht mit 24 Strophen, die jeweils acht Verse haben. Diese regelmäßige Struktur gibt dem Gedicht ein klar definiertes rhythmisches Fundament und ermöglicht es dem Autor, zahlreiche detaillierte Szenen und lebendige Bilder zu erstellen. Darüber hinaus ist das Gedicht in hohem Maße symbolisch und metaphorisch geprägt.

Die Sprache des Gedichts ist recht archaisch, was auf die Entstehungszeit zurückzuführen ist. Es wird der Klang des Althochdeutschen bildhaft genutzt, um eine dramatische, emotionale Atmosphäre zu erzeugen.

Das lyrische Ich scheint ein passiver Beobachter oder möglicherweise ein Mitkämpfer in dem dargestellten Konflikt zu sein. Durch seine Darstellung des Helden und die ausdrucksvollen Naturbeschreibungen möchte er die Dramatik und den Leidensweg des Freiheitskampfes veranschaulichen. Eine zentrale Botschaft des Gedichts könnte sein, dass der Kampf für die Freiheit ein edler, wenn auch oft leidvoller Weg ist.

Insgesamt betrachtet befassen sich Arnims Gedichte „Aloys“ sowohl auf inhaltlicher als auch auf formaler Ebene mit zentralen Motiven und Themen der Romantik, wie der idealisierte Kampf für Freiheit, der heroische Einzelkämpfer und die symbiotische Verbindung zur Natur.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Aloys“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Achim von Arnim. 1781 wurde Arnim in Berlin geboren. Zwischen den Jahren 1797 und 1831 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis tief in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte Auswirkungen auf Literatur, Musik, Philosophie und Kunst jener Zeit. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Schriftstellern der Romantik zuwider. Sie stellten sich in ihren Schriften gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Liebe und Sehnsucht und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 836 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 192 Versen mit insgesamt 24 Strophen. Die Gedichte „Bibliothek“, „Zur Weihnachtszeit“ und „Schwingeliedchen nach der Sicilischen Melodie“ sind weitere Werke des Autors Achim von Arnim. Zum Autor des Gedichtes „Aloys“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 173 Gedichte vor.

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