Des ersten Bergmanns ewige Jugend von Achim von Arnim

Ein Knabe lacht sich an im Bronnen,
Hält Festtagskuchen in der Hand,
Er hatte lange nachgesonnen,
Was drunten für ein neues Land.
Gar lange hatte er gesonnen
Wie drunten sei der Quelle Lauf;
So grub er endlich einen Bronnen,
Und rufet still in sich: "Glückauf!"
Ihm ist sein Kopf voll Fröhlichkeiten,
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Von selber lacht der schöne Mund,
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Er weiß nicht, was es kann bedeuten,
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Doch tut sich ihm so vieles kund.
 
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Er höret fern den Tanz erschallen,
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Er ist zum Tanzen noch zu jung,
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Der Wasserbilder spiegelnd Wallen
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Umzieht ihn mit Verwandelung,
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Es wandelte wie Wetterleuchten
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Der hellen Wolken Wunderschar,
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Doch anders will es ihm noch deuchten,
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Als eine Frau sich stellet dar:
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Da weichen alle bunten Wellen,
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Sie schauet, küßt sein spiegelnd Bild,
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Er sieht sie, wo er sich mag stellen,
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Auch ist sie gar kein Spiegelbild.
 
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"Ich hab nicht Fest, nicht Festes Kuchen,
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Bin in den Tiefen lang verbannt!"
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So spricht sie, möchte ihn versuchen,
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Er reicht ein Stück ihr mit der Hand;
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Er kann es gar kein Wunder nennen,
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Viel wunderbarer ist ihm heut,
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In seinem Kopf viel Lichter brennen
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Und ihn umfängt ganz neue Freud;
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Von seiner Schule dumpfem Zimmer,
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Von seiner Eltern Scheltwort frei,
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Umfließet ihn ein sel'ger Schimmer,
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Und alles ist ihm einerlei.
 
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Sie faßt die Hand, dem Knaben schaudert,
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Sie ziehet stark, der Knabe lacht,
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Kein Augenblick sein Mut verzaudert,
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Er zieht mit seiner ganzen Macht,
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Und hat sie kräftig überrungen
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Die Königin der dunklen Welt,
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Sie fürchtet harte Mißhandlungen
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Und bietet ihm ihr blankes Geld.
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"Mag nicht Rubin, nicht Goldgeflimmer",
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Der starke Knabe schmeichelnd spricht,
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"Ich mag den dunklen Feuerschimmer
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Von deinem wilden Angesicht."
 
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"So komm zur Kühlung mit hinunter!"
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Die Königin, ihm schmeichelnd, sagt,
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"Da unten blüht die Hoffnung bunter,
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Wo bleichend sich das Grün versagt.
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Don zeige ich dir große Schätze,
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Die reich den lieben Eltern hin,
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Die streichen da nach dem Gesetze,
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Wie ich dir streiche übers Kinn."
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So rührt sie seiner Sehnsucht Saiten,
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Die Sehnsucht nach der Unterwelt,
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Gar schöne Melodien leiten
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Ihn in ihr starres Lagerzett.
 
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Gar freudig klettert er hinunter,
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Sie zeigt ihm ihrer Adern Gold,
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In Flammen spielt Kristall da munter,
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Der Knabe spielt in Minnesold.
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Er ist so gar ein wackrer Hauer
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Mit wilder Kühnheit angetan,
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Hat um sein Leben keine Trauer,
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Macht in den Tiefen neue Bahn,
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Und bringet dann die goldnen Stufen
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Von seiner Kön'gin Kammertür,
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Als ihn die Eltern lange rufen
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Zu seinen Eltern kühn herfür.
 
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Die Eltern freuen sich der Gaben
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Und sie erzwingen von ihm mehr,
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Viel Schlösser sie erbauet haben
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Und sie besolden bald ein Heer:
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Er muß in strenger Arbeit geben,
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Worin sie prunken ohne Not.
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Einst hört er oben festlich Leben,
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Den trocknen Kuchen man ihm bot.
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Da kann die Kön'gin ihn nicht halten,
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Mit irdisch kaltem Todesarm,
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Denn in dem Knaben aufwärts wallten,
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So Licht als Liebe herzlich warm.
 
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Er tritt zum Schloß zum frohen Feste,
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Die Eltern staunen ihn da an,
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Es blickt zu ihm der Jungfraun Beste,
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Es faßt ihr Blick den schönen Mann,
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Im Bergkleid tritt er mit zum Tanze
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Und hat die Jungfrau sich erwählt,
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Und sie beschenkt ihn mit dem Kranze,
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Er hat die Küsse nicht gezählt.
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Da sind die Brüder zugetreten
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Und seine Eltern allzugleich,
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Die alle haben ihn gebeten,
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Daß er doch von dem Feste weich.
 
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Da hat er trotzig ausgerufen:
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"Ich will auch einmal lustig sein,
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Und morgen bring ich wieder Stufen
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Und heute geh ich auf das Frein!"
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Da hat er einen Ring genommen,
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Vom Gold, wie es noch keiner fand,
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Den hat die Jungfrau angenommen,
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Als er ihn steckt an ihre Hand,
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Dann sitzt er froh mit ihr zum Weine,
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Hat manches Glas hinein gestürzt;
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Spät schwankt er fort und ganz alleine,
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Manch liebreich Bild die Zeit verkürzt.
 
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Die Lieb ist aus, das Haus geschlossen
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Im Schacht der reichen Königin;
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Er hat die Türe eingestoßen
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Und steigt so nach Gewohnheit hin.
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Die Eifersücht'ge hört ihn rufen,
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Sie leuchtet nicht, er stürzt herab,
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Er fand zur Kammer nicht die Stufen,
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So findet er nun dort sein Grab.
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Nun seufzt sie, wie er schön gewesen,
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Und legt ihn in ein Grab von Gold,
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Das ihn bewahrt vor dem Verwesen,
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Das ist ihr letzter Minnesold.
 
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Die Eltern haben ihn vergessen,
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Da er nicht kommt zum Licht zurück,
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Und andre Kinder unterdessen
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Erwühlen neu der Erde Glück,
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Und bringen andre schöne Gaben,
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An Silber, Kupfer, Eisen, Blei,
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Doch mit dem Gold, was er gegraben,
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Damit scheint es nun ganz vorbei.
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Die Jungfrau lebet nur in Tränen,
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Die Liebe nimmt der Hoffnung Lauf
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Und meint in ihrer Hoffnung Wähnen,
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ihr steh das Glück noch einmal auf.
 
133 
Glück auf! nach funfzig sauren Jahren
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Ein kühner Durchschlag wird gemacht,
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Die Kön'gin kämpfet mit den Scharen
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Und hat gar viele umgebracht.
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Sie hat gestellt viel böse Wetter,
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Die um des Lieblings Grabmal stehn,
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Doch Klugheit wird der Kühnen Retter,
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Sie lassen die Maschinen gehn;
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Da haben sie den Knaben funden
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In kalten Händen kaltes Gold,
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So hat er sterbend noch umwunden
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Die Königin, die ihm einst hold.
 
145 
Zur Luft ihn tragend alle fragen,
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"Weiß keiner, wer der Knabe war,
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Ein schöner Bursche, zum Beklagen,
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Gar viele rafft hinweg das Jahr,
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Doch keiner je so wohl erhalten
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Kam aus der Erde Schoß zurück,
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Denn selbst die flüchtigen Farben walten
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Noch auf der Wangen frohem Glück;
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Es sind noch weich die starken Sehnen,
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Es zeigt die Tracht auf alte Zeit,
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Er kostete wohl viele Tränen,
156 
Jetzt kennt ihn keiner weit und breit."
 
157 
Die Jungfrau war tief alt geworden,
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Seit jenem Fest, wo sie ihn sah,
159 
Spät trat sie in den Nonnenorden
160 
Und geht vorbei und ist ihm nah;
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Sie kommt gar mühsam hergegangen,
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Gestützt auf einem Krückenstab,
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Ein Traum hielt sie die Nacht umfangen,
164 
Daß sie den Bräut'gam wieder hab.
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Sie sieht ihn da mit frischen Wangen,
166 
Als schliefe er nach schöner Lust,
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Gern weckte sie ihn mit Verlangen,
168 
Hier stürzt sie auf die stille Brust.
 
169 
Da fühlt sie nicht das Herr mehr schlagen,
170 
Die Männer sehn verwundert zu:
171 
"Was will die Hexe mit dem Knaben,
172 
Sie sollt ihm gönnen seine Ruh.
173 
Das wär doch gar ein schlimm Erwachen,
174 
Wenn er erwachte, frisch gesund,
175 
Und sie ihn wollte froh anlachen
176 
Und hätte keinen Zahn im Mund."
177 
Jetzt schauet sie sein hart Erstarren,
178 
An dieser neuen Himmelsluft,
179 
Die Farbe will nicht länger harren,
180 
Die treu bewahrt der Kön'gin Gruft.
 
181 
Hier ist die Jugend, dort die Liebe,
182 
Doch sind sie beide nicht vereint,
183 
Die schöne Jugend scheint so müde,
184 
Die alte Liebe trostlos weint.
185 
Was half es ihr, wenn er nun lebte,
186 
Und wäre nun ein alter Greis,
187 
Ihr Herz wohl nicht mehr zu ihm strebte,
188 
Wie jetzt zu dieses Toten Preis.
189 
Wie eine Statue er da scheinet
190 
Von einem lang vergeßnen Gott,
191 
Die Alte treu im Dienst erscheinet
192 
Und ist der jungen Welt zum Spott.
 
193 
Es mag der Fürst sie nimmer scheiden,
194 
Er schenket ihr den Leichnam mild,
195 
Verlaßne möchten ihr wohl neiden
196 
Ein also gleich und ähnlich Bild.
197 
Da sitzet sie nun vor dem Bilde,
198 
Die Hände sanft gefalten sind,
199 
Und sieht es an und lächelt milde,
200 
Und spricht: "Du liebes, liebes Kind,
201 
Kaum haben solche alte Frauen,
202 
Wie ich noch solche Kinder schön,
203 
Als meinen Enkel muß ich schauen,
204 
Den ich als Bräut'gam einst gesehn."

Details zum Gedicht „Des ersten Bergmanns ewige Jugend“

Anzahl Strophen
17
Anzahl Verse
204
Anzahl Wörter
1201
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht, „Des ersten Bergmanns ewige Jugend“, wurde von Achim von Arnim, einem bedeutenden deutschen Schriftsteller der Romantik (1781-1831), verfasst. Es handelt vom Leben eines Arbeiters, der als Knabe in die Bergwerke geht, sich dort in der Königin des Unterreichs verliebt und schließlich in ihren Tiefen stirbt. Seine Eltern haben sein Verschwinden schnell vergessen, nur seine ehemalige Liebste trauert ihm nach. Sie lebt als alte Frau weiter und bekommt schließlich seine unverwesliche Leiche, die durch die Umstände der Grubentiefe jugendlich erhalten geblieben ist.

Im ersten Eindruck ist das Gedicht gut strukturiert und besitzt eine gewisse Ästhetik. Man kann verschiedene Teile identifizieren, die vom Leben des Jungen erzählen, seiner Liebe, seinen Eltern und seiner Arbeit, sowie der Entdeckung seines Körpers und der Reaktion der Menschen darauf.

Der Inhalt dreht sich um die kontrastierenden Themen Jugend und Alter, Arbeit und Vergnügen, Leben und Tod. Der Knabe wird als glückliches, lebendiges Wesen dargestellt, das mit Freude und Leichtigkeit in die Tiefe der Erde steigt und dort sein Schicksal findet. Seine Entscheidung, sich dort festzusetzen und die Goldadern zu erforschen anstatt das Festliche Leben an der Oberfläche zu genießen, wird als heroisch und kühn dargestellt. Die tragische Ironie steckt in der Tatsache, dass es die Goldader ist, die er entdeckt und damit seinen Untergang besiegelt.

Die Sprache des Gedichts ist klar und einfach, mit gelegentlichen poetischen Wendungen, die dafür sorgen, dass der Text lebhaft bleibt. Der Versaufbau ist durchgehend gleich, was dem Gedicht eine gewisse Gleichmäßigkeit und Stetigkeit verleiht. Die Metaphern sind auf den ersten Blick einfach, z.B. „die Königin der dunklen Welt“ für die Reichtümer des Unterreichs, doch bei genauerer Betrachtung offenbaren sie eine Vielschichtigkeit und Tiefe.

Insgesamt liefert das Gedicht eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeiterklasse und vergänglicher Ruhm, vor dem Hintergrund von Leben und Tod, Jugend und Alter.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Des ersten Bergmanns ewige Jugend“ ist Achim von Arnim. Im Jahr 1781 wurde Arnim in Berlin geboren. Im Zeitraum zwischen 1797 und 1831 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Arnim handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein andauerte. Insbesondere in den Bereichen der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Industrialisierung und technologischer Fortschritt sind prägend für diese Zeit. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind bedeutende zu benennende Motive. Aber auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben unbeachtet. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für die Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das vorliegende Gedicht umfasst 1201 Wörter. Es baut sich aus 17 Strophen auf und besteht aus 204 Versen. Die Gedichte „Fastnacht“, „Der Falke“ und „Ehe“ sind weitere Werke des Autors Achim von Arnim. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Des ersten Bergmanns ewige Jugend“ weitere 173 Gedichte vor.

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