Der Schatzgräber von Johann Wolfgang von Goethe

Arm am Beutel, krank am Herzen,
Schleppt’ ich meine langen Tage.
Armuth ist die größte Plage,
Reichthum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,
Ging ich einen Schatz zu graben.
Meine Seele sollst du haben!
Schrieb ich hin mit eignem Blut.
 
Und so zog’ ich Kreis’ um Kreise,
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Stellte wunderbare Flammen,
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Kraut und Knochenwerk zusammen:
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Die Beschwörung war vollbracht.
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Und auf die gelernte Weise
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Grub ich nach dem alten Schatze
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Auf dem angezeigten Platze:
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Schwarz und stürmisch war die Nacht.
 
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Und ich sah ein Licht von weiten,
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Und es kam gleich einem Sterne
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Hinten aus der fernsten Ferne,
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Eben als es zwölfe schlug.
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Und da galt kein Vorbereiten.
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Heller ward’s mit einemmale
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Von dem Glanz der vollen Schale,
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Die ein schöner Knabe trug.
 
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Holde Augen sah ich blinken
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Unter dichtem Blumenkranze;
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In des Trankes Himmelsglanze
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Trat er in den Kreis herein.
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Und er hieß mich freundlich trinken;
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Und ich dacht’: es kann der Knabe
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Mit der schönen lichten Gabe
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Wahrlich nicht der Böse seyn.
 
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Trinke Muth des reinen Lebens!
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Dann verstehst du die Belehrung,
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Kommst, mit ängstlicher Beschwörung,
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Nicht zurück an diesen Ort.
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Grabe hier nicht mehr vergebens.
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Tages Arbeit! Abends Gäste!
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Saure Wochen! Frohe Feste!
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Sey dein künftig Zauberwort.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Der Schatzgräber“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
203
Entstehungsjahr
1797
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Schatzgräber“ ist von Johann Wolfgang von Goethe, ein weltbekannter deutscher Dichter aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Goethe war ein Hauptvertreter der literarischen Strömung Sturm und Drang und später der Weimarer Klassik.

Schon auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht düster und bedrückend, es scheint von Verzweiflung und Verlust zu erzählen. Es entwirft das Bild eines lyrischen Ichs, das unter Armut und Krankheit leidet und seine Hoffnung auf einen verborgenen Schatz setzt, um seine qualvollen Zustände zu lindern.

Inhaltlich geht es im Gedicht um einen Protagonisten, der ein hartes Leben führt. Dem lyrischen Ich mangelt es nicht nur an Geld, sondern es ist auch emotional leidend („krank am Herzen“). In seiner Verzweiflung versucht es, einen Schatz zu heben, indem es Rituale und Zauber anwendet und sogar sein eigenes Blut als Opfer anbietet. Als es inmitten dieser Bemühungen einen schönen Knaben sieht, der ihm einen Trank anbietet, schlussfolgert es, dass dieser Knabe das Böse nicht repräsentieren kann. Dieser Trank scheint symbolisch für einen Wechsel im Leben des Protagonisten zu stehen.

In Bezug auf Form und Sprache folgt „Der Schatzgräber“ einem klassischen Muster mit regelmäßigen, achtsilbigen Versen. Jede der fünf Strophen besteht aus acht Versen, die ein Paarreim Schema haben. Die Sprache des Gedichts ist relativ einfach und verständlich und bleibt trotz der dunklen Thematik klar, poetisch und bildlich.

In seiner Aussage scheint das Gedicht eine Botschaft von Hoffnung und Umkehr zu vermitteln. Das lyrische Ich bekommt die Chance, das trostlose Leben mit der Armut und den Schmerzen, das es bisher geführt hat, hinter sich zu lassen. Der schöne Knabe mit dem Trank scheint ihm eine neue Perspektive zu eröffnen und ihn zur Umkehr aufzufordern. So deutet das Gedicht darauf hin, dass wahre Schätze nicht unter der Erde, sondern im Leben selbst zu finden sind. „Saure Wochen! Frohe Feste!“ ist nicht nur das Ende seiner harten Arbeit, sondern sein neues Zauberwort und seine künftige Lebensphilosophie.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Schatzgräber“ ist Johann Wolfgang von Goethe. Geboren wurde Goethe im Jahr 1749 in Frankfurt am Main. 1797 ist das Gedicht entstanden. In Stuttgart und Tübingen ist der Text erschienen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Jugend- und Protestbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Johann Wolfgang von Goethe (geboren am 28. August 1749 in Frankfurt am Main; verstorben am 22. März 1832 in Weimar) ist einer der bekanntesten Dichter der Weimarer Klassik. Im Jahr 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird heute als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Epoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Zu den wichtigsten Motiven der Klassik gehören unter anderem Menschlichkeit und Toleranz. In der Klassik wird eine sehr einheitliche, geordnete Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen sind häufig in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf Stabilität und formale Ordnung. Metrische Ausnahmen befinden sich immer wieder an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik angesehen werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das 203 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „Alexis und Dora“, „Am 1. October 1797“ und „Amytnas“ sind weitere Werke des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Schatzgräber“ weitere 1618 Gedichte vor.

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