An die Sprache von Friedrich Rückert

Reine Jungfrau, ewig schöne,
Geist'ge Mutter deiner Söhne,
Mächtige von Zauberbann,
Du, in der ich leb' und brenne,
Meine Brüder kenn' und nenne,
Und dich selber preisen kann!
 
Da ich aus dem Schlaf erwachte,
Noch nicht wußte, daß ich dachte,
Gabest du mich selber mir,
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Ließest mich die Welt erbeuten,
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Lehrtest mich die Rätsel deuten
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Und mich spielen selbst mit dir.
 
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Spenderin aus reichem Horne,
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Schöpferin aus vollem Borne,
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Wohnerin im Sternenzelt!
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Alle Höh'n hast du erflügelt,
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Alle Tiefen du entsiegelt
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Und durchgwandelt alle Welt.
 
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Durch der Eichenwälder Bogen
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Bist du brausend hingezogen,
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Bis der letzte Wipfel barst;
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Durch der Fürstenschlösser Prangen
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Bist du klingend hergegangen,
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Und noch bist du, wie du warst.
 
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Stürme, rausche, lispl' und säusle!
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Zimm're, glätte, hau' und meißle,
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Schaffe fort mit Schöpfergeist!
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Dir läßt gern der Stoff sich zwingen,
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Und dir muß der Bau gelingen,
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Den kein Zeitstrom niederreißt.
 
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Mach ' uns stark an Geisteshänden,
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Daß wir sie zum Rechten wenden,
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Einzugreifen in die Reih'n.
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Viel Gesellen sind gesetzet,
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Keiner wird gering geschätzet,
36 
Und wer kann, soll Meister sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „An die Sprache“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
174
Entstehungsjahr
1788 - 1866
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An die Sprache“ stammt von Friedrich Rückert, einem deutschen Poeten der Romantik, geboren 1788 und gestorben 1866. Der erste Eindruck des Gedichts offenbart eine tiefe Bewunderung und Dankbarkeit des lyrischen Ichs gegenüber der Sprache.

Inhaltlich ist das Gedicht eine Huldigung an die Sprache. Sie wird personifiziert und mit überaus positiven, lobenden und teils fast überhöhten Attributen dargestellt, wie zum Beispiel „Reine Jungfrau“, „ewig schöne“ oder „mächtige“. Das lyrische Ich drückt seine Abhängigkeit und seine Bewunderung aus, indem es feststellt, durch die Sprache zu leben und zu brennen. Es betont, dass es durch die Sprache die Möglichkeit erhält, sich selbst und seine Mitmenschen zu erkennen und auszudrücken.

Die Form des Gedichts besteht aus sechs konsequenten sechsversigen Strophen, was auf eine geordnete und stabile Struktur hinweist. Die Sprache Rückerts ist sehr bildreich und positiv konnotiert. Gleichzeitig verwendet er eine sehr fließende Sprache mit vielen Verben, was das Gedicht dynamisch und lebendig wirken lässt.

In der letzten Strophe finden wir ein Appell an die Sprache, uns zu stärken und uns zu befähigen, unser volles Potenzial zu entfalten. Es wird betont, dass jeder einen Wert hat und in der Lage sein sollte, sein Bestes zu geben. Dies zeigt, dass das lyrische Ich die Sprache als entscheidenden Faktor für individuelle und kollektive Entwicklung ansieht.

Insgesamt kann das Gedicht als eine Ode an die Macht und Schönheit der Sprache interpretiert werden. Es zeigt, wie die Sprache das Individuum prägt, ihm Identität verleiht und ihm erlaubt, seine Umgebung zu verstehen und sich mit anderen zu verbinden. Die Personifizierung der Sprache durch das lyrische Ich unterstreicht die tiefe emotionale Bindung, die zwischen Mensch und Sprache besteht. Die detaillierte und liebevolle Beschreibung der Sprache zeigt das tiefe Verständnis und die große Wertschätzung des lyrischen Ichs für diese.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An die Sprache“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Rückert. Im Jahr 1788 wurde Rückert in Schweinfurt geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1866. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 174 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Friedrich Rückert ist auch der Autor für Gedichte wie „31. Makame des Hariri“, „Amaryllis“ und „Blumen aufs Grab“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An die Sprache“ weitere 102 Gedichte vor.

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