Lüfteleben von Friedrich Rückert

Wär' ich die Luft, um die Flügel zu schlagen,
Wolken zu jagen,
Über die Gipfel der Berge zu streben,
Das wär' ein Leben!
 
Tannen zu wiegen und Eichen zu schaukeln,
Weiter zu gaukeln,
Seele den flüsternden Schatten zu geben,
Das wär' ein Leben!
 
Echo, das schlummernde, neckend zu wecken,
10 
Nymphen zu schrecken,
11 
Über die schauernden Flure zu beben,
12 
Das wär' ein Leben!
 
13 
Rosen mit Schmeicheln entkosen ein Lächeln,
14 
Nelkenglut fächeln,
15 
Duftige Lilienschleier zu heben,
16 
Das wär' ein Leben!
 
17 
Bräuten an ihrem Gewande zu säuseln,
18 
Locken zu kräuseln,
19 
Düfte von beiden als Steuer erheben,
20 
Das wär' ein Leben!
 
21 
Myrrhen und Weihrauch zum Opfer zu tragen,
22 
Sel'ges Behagen,
23 
Heiligen Flammen den Atem zu geben,
24 
Das wär' ein Leben!
 
25 
Schwellende Fülle zu schütteln von Zweigen,
26 
Ähren zu neigen,
27 
Trauben zu küssen im Schoße der Reben,
28 
Das wär' ein Leben!
 
29 
Morgens dem Reh und der Blum' auf dem Rasen
30 
Wache zu blasen,
31 
Abends die Träume der Schöpfung zu weben,
32 
Das wär' ein Leben!
 
33 
Kühl bei des Mittags versengenden Gluten
34 
Tauchen in Fluten,
35 
Auen mit träufelnder Schwinge beschweben,
36 
Das wär' ein Leben!
 
37 
Rosen, aus euren verschlossenen Thüren
38 
Düfte entführen,
39 
Um sie ins Freimunds Lieder zu weben,
40 
Das wär' ein Leben!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Lüfteleben“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
195
Entstehungsjahr
1788 - 1866
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Friedrich Rückert, der ein deutscher Dichter und Übersetzer der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war, also dem Zeitalter der Romantik zugehörig. Es handelt sich um ein reimloses Gedicht, welches jedoch durch die regelmäßige Wiederholung des Satzes „Das wär' ein Leben!“ strukturiert wird. Dieser Satz ist gleichzeitig das Leitmotiv und zentrale Thema des Gedichts und wird am Ende jeder Strophe wiederholt.

Der erste Eindruck des Gedichts ist von einer Sehnsucht nach Freiheit, Leichtigkeit und Unabhängigkeit geprägt. Es vermittelt das Bild einer ungezwungenen Existenz, die mit der Natur in Harmonie lebt und durch Vitalität und Bewegung charakterisiert ist.

Inhaltlich geht es um die Sehnsucht des lyrischen Ichs, in der Form der Luft Freiheit und Unabhängigkeit erfahren zu können. Es stellt sich in jeder Strophe verschiedene Tätigkeiten und Aktionen vor, die es als Luft durchführen würde und die alle im Einklang mit der Natur stehen. Diese beinhalten sowohl dynamische und aktive Elemente, wie das Flügelzuschlagen oder das Tannenwiegen, als auch sanfte und einfühlsame Handlungen, wie das Entlocken eines Lächelns bei den Rosen oder das Tragen von Weihrauch zum Opfer. Alle diese Vorstellungen sind von einer idealisierten Existenz geprägt und illustrieren die tiefe Naturverbundenheit und den Wunsch nach Freiheit des lyrischen Ichs.

Die Sprache des Gedichts ist typisch für die Romantik: Sie ist stark symbolisch und metaphorisch geprägt und bedient sich zahlreicher Elemente der Naturlandschaft, um Gefühle und die innere Lebenswelt des lyrischen Ichs darzustellen. Die Natur wird dabei nicht nur als Kulisse für die inneren Wünsche des lyrischen Ichs benutzt, sondern als aktiver Teil der vorgestellten Handlungen. So verleiht die Luft den Nymphen Schatten, weckt das Echo und trägt den Weihrauch zum Opfer. Rückert gelingt es dadurch, eine harmonische Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und der Umwelt zu kreieren.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus zehn durch das wiederholte Leitmotiv klar voneinander getrennten Strophen mit jeweils vier Versen. Es folgt keinem klassischen Reimschema, sondern nutzt die Wiederholung als Verbindungselement. Jede Strophe beginnt mit einer Aktivität oder Tätigkeit, die entweder direkt oder in metaphorischer Weise mit der bereits genannten Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit zusammenhängt. Diese Wiederholungsstrukturen erzeugen einen rhythmischen Fluss und unterstützen die musikalische Qualität und Leichtigkeit der Sprache.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Lüfteleben“ ein Gedicht ist, das durch seine romantisch geprägte Sprache und die Sehnsucht nach einer idealisierten Existenz in der Natur berührt. Rückerts Gedicht ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die tiefe Naturverbundenheit und den Wunsch nach Freiheit, die für die Romantik typisch sind. Es gelingt ihm, eine harmonische und inspirierende Vorstellung von einem Leben im Einklang mit der Natur zu kreieren, die berührt und nachdenklich stimmt.

Weitere Informationen

Friedrich Rückert ist der Autor des Gedichtes „Lüfteleben“. Der Autor Friedrich Rückert wurde 1788 in Schweinfurt geboren. In der Zeit von 1804 bis 1866 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 195 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen. Die Gedichte „31. Makame des Hariri“, „Amaryllis“ und „Blumen aufs Grab“ sind weitere Werke des Autors Friedrich Rückert. Zum Autor des Gedichtes „Lüfteleben“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 102 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Friedrich Rückert (Infos zum Autor)

Zum Autor Friedrich Rückert sind auf abi-pur.de 102 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.