Ich sehe, wie in einem Spiegel von Friedrich Rückert

Ich sehe, wie in einem Spiegel,
In der Geliebten Auge mich;
Gelöst vor mir ist jedes Siegel,
Das mir verbarg mein eignes Ich.
 
Durch deinen Blick ist mir durchsichtig
Mein Herz geworden und die Welt;
Was in ihr wirklich und was nichtig,
Ist vor mir ewig aufgehellt.
 
So wie durch meinen Busen gehet
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Hier deines Herzens stiller Schlag,
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So fühl' ich, was die Schöpfung drehet
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Vom ersten bis zum jüngsten Tag.
 
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Die Welten drehn sich all um Liebe,
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Lieb' ist ihr Leben, Lieb' ihr Tod;
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Und in mir wogt ein Weltgetriebe
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Von Liebeslust und Liebesnot.
 
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Der Schöpfung Seel' ist ew'ger Frieden,
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Ihr Lebensgeist ein steter Krieg:
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Und so ist Frieden mir beschieden,
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Sieg über Tod und Leben, Sieg.
 
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Ich spreche still zu Lieb' im Herzen,
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Wie Blume zu der Sonne Schein:
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Du gieb mir Lust, du gieb mir Schmerzen!
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Dein leb' ich, und ich sterbe dein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Ich sehe, wie in einem Spiegel“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
146
Entstehungsjahr
1788 - 1866
Epoche
Klassik,
Romantik,
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Ich sehe, wie in einem Spiegel“ stammt von Friedrich Rückert, einem bedeutenden deutschen Lyriker der Romantik, der von 1788 bis 1866 lebte. Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht als eine Tiefe und komplexe Reflexion über die menschliche Natur und Liebe, wie sie sich in den Augen eines geliebten Menschen manifestieren.

Der Inhalt dieses Gedichts dreht sich um das lyrische Ich, das sich selbst in den Augen seiner geliebten Person erkennt und durch diese Reflexion ein größeres Verständnis von sich selbst und der Welt gewinnt. Es vollzieht eine tiefgründige spirituelle Reise durch seine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen. Es beginnt mit der Entdeckung seines eigenen Selbst, führt zu einem umfassenden Verständnis seiner Emotionen und schließt mit der Erkenntnis, dass die Welt – wie sein eigenes Sein – sich um die Achse der Liebe dreht.

In der Sprach- und Formanalyse zeigt sich eine sehr harmonische und zeitlose Lyrik Rückerts. Es handelt sich um sechsstrophiges Gedicht, jede Strophe bestehend aus vier Versen, also ein Vierheber. Rückert verwendet eine klare, ausdrucksstarke Sprache, die von Einfachheit und Klarheit geprägt ist. Die Wiederholung des Motivs des Spiegels oder Reflexion symbolisiert die introspektive Reise des lyrischen Ichs und die Bedeutung der Liebe in dieser Erkenntnis.

Die poetische Sprache und die metaphorische Komplexität des Gedichts betonen die Intensität und Universalität der in ihm dargestellten Emotionen. Es zeigt eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Selbst und der Welt, die durch die Kraft und Tiefe der Liebe geweckt und inspiriert wird. Es drückt die Überzeugung aus, dass durch die Liebe jeder Mensch einen tieferen Blick in sein Inneres werfen und die essentiellen Wahrheiten des Lebens erkennen kann. Es handelt sich dabei um ein klassisches literarisches Bekenntnis zu der transformierenden Macht der Liebe. Damit passt es sehr gut in die Epoche der Romantik, die das Fühlen und die Emotionen ins Zentrum des dichterischen Schaffens rückte. Dazu gehört auch die dichotome Darstellung von Lebensfreude und -leid, von Tod und Leben, die durch die Liebe zugleich verschärft und versöhnt werden.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ich sehe, wie in einem Spiegel“ des Autors Friedrich Rückert. Geboren wurde Rückert im Jahr 1788 in Schweinfurt. In der Zeit von 1804 bis 1866 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 146 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Die Gedichte „Wintersonne“, „31. Makame des Hariri“ und „Amaryllis“ sind weitere Werke des Autors Friedrich Rückert. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ich sehe, wie in einem Spiegel“ weitere 102 Gedichte vor.

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