Der König in Thule von Johann Wolfgang von Goethe

Es war ein König in Thule,
gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
einen goldnen Becher gab.
 
Es ging ihm nichts darüber,
er leert ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
so oft er trank daraus.
 
Und als er kam zu sterben,
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zählt er seine Städt im Reich,
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Gönnt alles seinen Erben,
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den Becher nicht zugleich.
 
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Er saß beim Königsmahle,
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die Ritter um ihn her,
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Auf hohem Vätersaale,
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dort auf dem Schloß am Meer.
 
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Dort stand der alte Zecher,
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trank letzte Lebensglut,
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Und warf den heiligen Becher
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hinunter in die Flut.
 
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Er sah ihn stürzen, trinken
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und sinken tief ins Meer.
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Die Augen thäten ihm sinken,
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trank nie einen Tropfen mehr.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Der König in Thule“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
115
Entstehungsjahr
1774
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der König in Thule“ wurde von Johann Wolfgang von Goethe verfasst, einem der bedeutendsten Literaten der deutschen Klassik, der von 1749 bis 1832 lebte. In dieser Zeit flossen viele verschiedene kunst- und kulturhistorische Strömungen in Goethes Werk ein und prägten seinen literarischen Ausdruck.

Betrachtet man das Gedicht auf den ersten Blick, wird eine melancholische und traurige Atmosphäre erzeugt, die durch die Vorstellung eines sterbenden Königs in einem abgelegenen Gebiet wie Thule noch verstärkt wird.

Inhaltlich erzählt das Gedicht die Geschichte eines treuen Königs, der von seiner sterbenden Geliebten einen goldenen Becher erhält. Die starke emotionale Anbindung des Königs an diesen Becher zeigt seine verborgene Zuneigung und Sehnsucht nach seiner verstorbenen Liebe. Er trinkt bei jedem Festmahl aus dem Becher und vergießt dabei Tränen. Als er spürt, dass sein eigenes Leben zu Ende geht, lehnt er es ab, den Becher an seine Erben weiterzugeben. Stattdessen wirft er ihn in sein letztes Königsmahl ins Meer und stirbt unmittelbar danach, ohne jemals wieder einen Tropfen zu trinken.

Die Aussage des lyrischen Ichs kann auf verschiedene Weise interpretiert werden. Es könnte die Geschichte als Metapher für unwiderruflichen Verlust, tiefe Treue und Liebe erzählen, die selbst über den Tod hinaus Bestand hat.

Das Gedicht ist in Form von Reimpaaren in sechs gleich gebauten Strophen geschrieben, was eine bestimmte Struktur und Rhythmus verleiht. Jede Strophe besteht aus vier Versen, die eine feste Erzählfolge einhalten. Die Sprache des Gedichts ist einfach und unprätentiös, was es leicht verständlich macht. Goethes geschickte Anwendung von Metaphern und Symbolen verleiht dem Gedicht jedoch tiefe Bedeutungsebenen und Emotionen, die den Leser zum Nachdenken anregen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der König in Thule“ des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Geboren wurde Goethe im Jahr 1749 in Frankfurt am Main. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1774. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. Die Autoren versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Epoche der Klassik beginnt nach herrschender Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er im Jahr 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Auswirkungen der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Wie der Name bereits verrät, liegen das literarische Zentrum und der Ausgangspunkt der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Zum Teil wird auch Jena als ein weiteres Zentrum dieser Literaturepoche angesehen. Menschlichkeit, Toleranz und Übereinstimmung von Natur und Mensch, von Gesellschaft und Individuum sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. In der Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen sind häufig in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf Stabilität und formale Ordnung. Metrische Ausnahmen befinden sich oftmals an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Schiller, Goethe, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das 115 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An Lida“, „An den Mond“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Der König in Thule“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1618 Gedichte veröffentlicht.

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