Benn, Gottfried - D-Zug (Gedichtinterpretation)

Schlagwörter:
Gottfried Benn, Analyse, Sinnabschnitt, Verse, Strophen, lyrisches Ich, Referat, Hausaufgabe, Benn, Gottfried - D-Zug (Gedichtinterpretation)
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Referat

Gedichtinterpretation: Gottfried Benn „D-Zug“

Das Gedicht „D-Zug“ von Gottfried Benn aus dem Jahr 1912 greift den Zerfall der zwischenmenschlichen Beziehungen als Thema auf. Es besteht aus 8 Strophen. Die Strophen sind unterschiedlich aufgebaut und ohne feste Form. Das Gedicht lässt sich in 3 Sinnabschnitte einteilen. Es weist kein Reimschema, keine Metrik und keinen Rhythmus auf. Allerdings lässt sich feststellen, dass Benn zu Beginn eine männliche und zum Ende hingehend eine weibliche Kadenz verwendet. Auffällig ist, dass Benn seinem Gedicht durch viele Chiffren und Neologismen einen verschlüsselten Charakter verleiht und zudem auffallend viele Satzzeichen verwendet werden, wovon der Großteil Ausrufezeichen sind.

Gottfried Benn (2. Mai 1886 - 7. Juli 1956) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Mediziner. Fünfmal wurde er für den Literaturnobelpreis nominiert. Benn hatte einen großen Einfluss auf die deutsche Lyrik unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg (als Expressionist) sowie nach dem Zweiten Weltkrieg (mit seinen Statischen Gedichten).

D-Zug gehört zum Themenkomplex des Ichzerfalls, der eng in Zusammenhang mit der Zivilisations- und Großstadtkritik der Lyriker steht. Den Ichzerfall kann man dabei als Krise definieren, die durch die Wahrnehmungsfülle im modernen Lebensraum Großstadt ausgelöst wurde. Das lyrische Ich dabei äußert oft Gefühle der Ohnmacht, der Verlorenheit und der Auflösung des Ichs.

Im ersten Sinnabschnitt schildert das lyrische Ich die allgemeine Situation der Menschen und zählt in kurzen, unvollständigen Sätzen, sogenannten Ellipsen, die mehrere Vergleiche enthalten, Farbimpressionen auf (vgl. V 1). Eine Verbindung zum Titel ergibt sich zunächst nicht. Die verschiedenen Brauntöne assoziieren die vielen verschiedenen Menschen, welche alle unterschiedlich braungebrannt vom Ostseeurlaub zurückkommen. Dabei wird das lyrische Ich als neutraler Beobachter der geschilderten Situation dargestellt (vgl. V 2). In Vers 2 spricht er von „D-Zug“. Dies könnte ein Symbol für Hektik und Schnelligkeit sein. Dass der Sommerurlaub zu Ende ist, wird zum einem an der Verwendung des Präteritum in Vers 3 und in der Formulierung der Wehmut in Vers 7 deutlich, dabei könnte man ebenso darauf schließen, dass die braunen Farben im ersten Vers als ein Symbol für den Herbst stehen könnten. In den weiteren Versen folgt ein nicht kausales Nebeneinander von Eindrücken, wobei der Mensch enthumanisiert und nicht mehr als eigenständige Persönlichkeit angesehen, sondern auf einzelne Körperteile reduziert wird (vgl. V 3-4). Aus den Versen 5-7 geht hervor, dass sich der Sommer dem Ende zuneigt und dieses das lyrische Ich zu bedauern scheint. Ebenso scheint er Sehnsucht nach der Nacht zu haben, dafür verwendet er den Neologismus „Sichelsehnsucht“ (V. 6), welcher mehrere stilistische Mittel enthält. Im darauffolgenden Vers spricht das lyrische Ich desgleichen vom Beginn des Hebst und macht erneut deutlich, dass er das Ende des Sommers bedauert (vgl. V. 8). In den Versen 9 und 10 spricht das lyrische Ich für eine Gruppe von Leuten und verwendet dafür das Personalpronomen „uns“ (V. 10) und macht deutlich, dass ihm die Nähe von Georginen wirr mache. Dabei könnte Georgine für einen Frauennamen stehen. Somit vergleicht das lyrische Ich eine Frau mit einer Blume und stellt sie gleich (vgl. V.9).

Im zweiten Sinnabschnitt werden männliche Eindrücke beschrieben, bei der die Sichtweise des Mannes provokant dargestellt wird. Dabei erfolgt in Vers 11 ein Perspektivenwechsel, welcher durch einen Doppelpunkt am Ende des Satzes eingeleitet wird. Erneut werden die Menschen enthumanisiert dargestellt du auf ihre Hautfarbe reduziert (vgl. V. 11). In den folgenden Versen wird die Frau weiterhin nicht als Individuum angesehen (vgl. V. 12: „Eine“). Ebenfalls wird sie auf ihre Sexualität reduziert und das lyrische Ich macht deutlich, dass er flüchtige Beziehungen vorzieht und mit einer Frau lediglich die Nacht zusammen verbringen möchte. Hierbei stellt er durch die Betonung der Nacht klar, dass er nicht vorhat mit einer Frau den Tag, beziehungsweise den Alltag verbringen möchte und er sich so nicht auf längerfristige Beziehungen einlassen möchte.

Der unbestimmte Artikel betont die Anonymität der Personen. Auf der anderen Seite bedauert das lyrische Ich die Zeit nach dem Zusammensein, das „Bei-sich selbst Sein!“ (V. 14). Es könnte bedeuten, dass es sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen möchte. Es zeigt sich eine Ich-Dissoziation des lyrischen Ich, bei der es sich von sich selbst entfremdet.

In Vers 16 steigert sich die Entindividualisierung der Frau bis zur Enthumanisierung. Sie wird auf ihren Geruch beschränkt und nicht mehr als Person mit eigenem Charakter dargestellt. Des Weiteren beschreibt das lyrische Ich in der Position eines Mannes den Zustand im Sommerurlaub. Dort, wenn es warm ist und man am Meer Urlaub macht, agiert der Mann wie ein Hirte der umherzieht. Allerdings stehen die Frauen stellvertretend für die Schafe, welche ihm somit unterlegen sind. Der Abhang, an dem ein Glück lehnt, könnte für die flüchtigen Beziehungen stehen, da es für das Ich viele Abhänge gibt, an denen Frauen stehen. Dies könnte eine Anspielung auf das Leben in einer Großstadt sein, wo viele Frauen leben und wo flüchtige Beziehungen alltäglich sind und es keine wirklichen zwischenmenschlichen Beziehungen gibt (vgl. V. 18-19).

In Vers 20 beginnt der dritte Sinnabschnitt, bei dem erneut ein Perspektivwechsel erfolgt. Diesmal wird der Abschnitt mit der Sicht der Frau eingeleitet. Vergleicht man diese Einleitung des Perspektivwechsels mit der des Mannes zeigt sich deutlich eine Unterschied zwischen Frau und Mann in ihren Rollen. Beides Mal wird der Mann überlegen dargestellt und die Frau als unterlegen und hilflos (vgl. V 11/ 20). Auch wird es wieder mit Farben dargestellt. Dem Mann wird die Farbe dunkelbraun zugeordnet, welche die Frau auf die Farbe hellbraun reduziert wird (vgl. V. 20). Da dunkle Farben den hellen Farben gegenüber dominieren, wir auch hier wieder die Überlegenheit des Mannes unterstrichen.

Im dritten Sinnabschnitt wird die Hilflosigkeit der Frau deutlich, dafür verwendet Benn zwei Ausrufezeichen, welche diesen Zustand der Frau betonen (vgl. V. 21). Die Frau muss sich an den Mann anlehnen und sucht seine Nähe. Sie bedeutet ebenfalls das Ende des Sommers, was zudem das Ende der Freiheit bedeutet.

Der Epoche des Expressionismus kann man das Gedicht von Gottfried Benn zuordnen. Es beinhaltet den für diese Epoche typischen ungegliederten und ungleichen Aufbau, welcher kein einheitliches Reimschema aufweist. Auch die Thematik des Expressionismus ist in Benns Gedicht, welcher ein bedeutender Vertreter dieser Stilrichtung der Moderne war, umgesetzt und zeigt das Lebensgefühl in der Großstadt auf. Die Erfahrungen, die in dem Gedicht beschrieben werden, sind typisch für diese Epoche. So zum Beispiel die Ich- Dissoziation, die Depersonalisierung und der Verlust zwischenmenschlicher Beziehungen. Auch die typischen Stilmittel, wie Neologismen, Chiffren und Ellipsen weist dieses Gedicht auf.

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