Die Irren V von Georg Heym

Die Irren V:
Die Somnambulen
 
Schon braust die Mitternacht. Mit langem Haar
In weiße Tücher feierlich gehüllt
Zieht schwankend auf der Somnambulen Schar,
Wie Rauch so weiß, der weit den Himmel füllt.
 
Aus allen Dächern steigen sie herauf,
Irrlichtern gleich auf einem schwarzen Sumpf.
Sie tanzen auf der Wetterfahnen Knauf,
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Mit irren Lächelns fröhlichem Triumph.
 
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Sie schlagen Zimbeln in der leichten Hand
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Und irren singend in der grünen Luft.
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Vor ihren Brüsten zittert ihr Gewand,
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Die wild den Mond berauschen, süß, voll Duft.
 
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Sie kitzeln ihn mit ihren zarten Händen
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Und zwicken leicht ihn in das gelbe Ohr.
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Sie wiegen sich in ihren magern Lenden
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Im Tanzschritt hin, ein weißer Trauerchor.
 
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Sie fliegen durch die Nacht wie Wolken leise
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Hoch über spitzer Berge blauem Grat
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Hinauf zu ihm auf ihrer leichten Reise
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Zu einem Wiegenlied an Abgrunds Pfad.
 
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Der Mond umfängt sie sanft mit Spinnenarm.
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Ihr Haupt wird von dem Kusse weiß gemalt.
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Sie ruhn an ihres Bräutigams Herzen warm,
26 
Der tief durch ihre dünne Rippe strahlt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Die Irren V“

Autor
Georg Heym
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
167
Entstehungsjahr
1887 - 1912
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Irren V“ stammt von dem expressionistischen Dichter Georg Heym, der von 1887 bis 1912 lebte. Es kann daher im Kontext des literarischen Expressionismus Anfang des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass dieses Gedicht eine magisch-mysteriöse Atmosphäre mit starken Bildern schafft. Das zentrale Bild sind die „Somnambulen“, das heißt Schlafwandler, die wie Geister in der Nacht durch die Stadt ziehen und auf ihren Dächern tanzen.

In inhaltlicher Hinsicht beschreibt das lyrische Ich in „Die Irren V“ eine Gruppe von Schlafwandlerinnen, die nachts aus ihren Häusern steigen und auf Dächern tanzen. Sie sind weiß gekleidet, gleichen Rauch oder Irrlichtern und bewegen sich leicht und schwebend durch die Nacht. Ihr Verhalten wirkt surreal und beinahe geisterhaft. Hierbei könnte Heym auf den Zustand des Träumens, des Halbwachens oder auch auf psychische Zustände anspielen. Die Figuren befinden sich in einer Zwischenwelt, sie sind nicht wach, aber auch nicht vollständig schlafend - ähnlich wie Geisteskrankheiten oft als eine Abweichung von der „normalen“ geistigen Verfassung verstanden werden.

Die Form des Gedichts folgt keiner traditionellen Reimstruktur, was ebenfalls ein Merkmal des Expressionismus ist. Es besteht aus sieben Strophen mit jeweils vier Versen. Die Sprache ist bildhaft und emotional aufgeladen, typisch für Heym und für expressionistische Dichtung generell. Metaphern und Vergleiche dominieren das Gedicht, dabei wird oft auf das Gegensatzpaar von Licht und Dunkelheit, von oben und unten, von Leben und Tod zurückgegriffen. Durch diese Elemente wird eine eindringliche und etwas unheimliche Stimmung erzeugt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Die Irren V“ ein eindrückliches Beispiel für die expressionistische Lyrik Georg Heyms ist. Es fängt das Thema der Geisteskrankheit auf eine poetische, geheimnisvolle und suggestive Weise ein und zeugt von Heyms Fähigkeit, starke und eindringliche Bilder zu schaffen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Irren V“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Georg Heym. Geboren wurde Heym im Jahr 1887 in Hirschberg. Das Gedicht ist in der Zeit von 1903 bis 1912 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 167 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Georg Heym ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Abend“, „Der Baum“ und „Der Blinde“. Zum Autor des Gedichtes „Die Irren V“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 79 Gedichte vor.

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