Heym, Georg - Georg Heym als Namensgeber für Straßen (Bezug zum Gedicht Der Krieg)

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Georg Heym, Die Krieg I, Der Krieg II, Gedichtanalyse, Interpretation, Referat, Hausaufgabe, Heym, Georg - Georg Heym als Namensgeber für Straßen (Bezug zum Gedicht Der Krieg)
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Referat

Georg Heym als Namensgeber für Straßen

Liebe Leser und Leserinnen, in unserer Stadt soll nun der Lyriker Georg Heym (1887- 1912), welcher die Zeit des frühen literarischen Expressionismus prägte und „[…] heute als einer der entscheidenden Wegbereiter der literarischen Moderne in Deutschland [gilt]“ („Einführung in das Werk Georg Heyms“), durch die Straßenbenennung, in einem unserem Neubaugebiet, geehrt werden. Doch Heym ist nicht für alle die beste Wahl, da er in seinen Werken angeblich den Krieg verherrlichen soll. Bevor eine Entscheidung über einen Namensgeber getroffen werden kann, sollte „ein heterogenes Gesamtbild“ (Reiner Pöppinghege) der Person in Betracht gezogen werden. Ich habe mich mit dem bekannten Lyriker beschäftigt, um uns ein Bild von ihm machen zu können, denn er kann sich gegen den Vorwurf heute nicht mehr äußern.

Die Frage, ob Georg Heym als Namensgeber für Straßen geeignet ist, wird nun im Folgenden betrachtet.

Der ausschlaggebende Punkt für die Diskussion lautet, dass Heym den Krieg verherrlicht. Der Lyriker schreibt in seinem „Tagebucheintrag (6. Juli 1910)“ seine Gedanken über den Krieg nieder. Er benötigt den Rausch von schrecklichen, was er durch die Aussage „mit der Kugel im Herzen den Rausch der Begeisterung spüren“ verdeutlicht. Krieg ist für ihn ein Zeitvertreib, „er kann [auch] ungerecht sein“ („Tagebucheintrag“). Ein Tagebucheintrag ist etwas Persönliches, deine tiefsten Gedankengänge, all deine Ideen, welche du nicht aussprechen möchtest oder nicht kannst, werden von dir niedergeschrieben, um dich später abermals zu erinnern. Von Heym ist das auch getan worden, er hat mithilfe seines Eintrages über einen Rausch geschrieben, wobei der Krieg von Georg Heym beschönigt worden ist, was aber zunächst nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Denn die Intention eines Tagebuchs ist es, dass es im Geheimen bleibt.

Weitere Vertreter seiner Zeit, des Expressionismus, können als Namensgeber für die Straße in Betracht gezogen werden. Hanns Jost hat sich in seinem Werk „Vorahnung des Krieges“ („Die Apokalypse in Deutschland“) ebenfalls mit dem heiklen Thema des Konfliktes eines Krieges beschäftigt. Dennoch ist der bekannteste Lyriker, bezüglich des Themas, Georg Heym geworden, mit seinem Gedicht „Der Krieg I“. Eine Karikatur von der „Landeszentrale für politische Bildung“, zeigt eine bestimmte Reihenfolge der Bevorzugung von bestimmten Vertretern bezüglich der Benennung von Straßen, von Platz eins bis drei, wobei der Platz eins der beste bzw. der höchste ist. Vorzugsweise werden hierbei beim ersten Platz in der Kategorie der Männer Vertreter der Exekutive genannt. Schriftsteller bzw. Autoren, wozu Georg Heym dazuzählt, werden erst auf dem dritten Platz gelistet. Wenn man sich bei der Diskussion, ob nach Heym eine Straße benannt werden soll, auf diese Karikatur bezieht, stellt sich die Frage, ob man sich nicht von Anfang an den Aufwand der Debatte einspart und sich auf einen anderen Vertreter konzentriert, da die Lyriker als nicht besonders wichtig gekennzeichnet werden.

Um den Vorwurf nachzugehen, dass Georg Heym in seinen Gedichten den Krieg verherrlichen würde, habe ich mir seine Werke „Der Krieg I (1911)“ und „Der Krieg II (1911)“, welche besonders in der Debatte stehen, genauer angeschaut und analysiert.

Der Krieg I
von Georg Heym

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.
 
In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit,
Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.
 
In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.
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Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.
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In der Ferne wimmert ein Geläute dünn
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Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.
 
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Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an
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Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an.
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Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,
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Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.
 
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Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,
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Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.
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Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,
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Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.
 
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Über runder Mauern blauem Flammenschwall
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Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall.
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Über Toren, wo die Wächter liegen quer,
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Über Brücken, die von Bergen Toter schwer.
 
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In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein
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Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.
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Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,
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Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.
 
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Und mit tausend roten Zipfelmützen weit
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Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,
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Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her,
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Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr.
 
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Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,
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Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt.
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Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht
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In die Bäume, daß das Feuer brause recht.
 
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Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,
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Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
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Aber riesig über glühnden Trümmern steht
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Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht,
 
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Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,
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In des toten Dunkels kalten Wüstenein,
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Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
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Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

(„Der Krieg I“ von Georg Heym ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (27.4 KB) zur Unterstützung an.)

Der Krieg II
von Georg Heym

Hingeworfen weit in das brennende Land
Über Schluchten und Hügel die Leiber gemäht
In verlassener Felder Furchen gesät
Unter regnenden Himmeln und dunkelndem Brand,
 
Fernen Abends über den Winden kalt,
Der leuchtet in ihr zerschlagenes Haus,
Sie zittern noch einmal und strecken sich aus,
Ihre Augen werden sonderbar alt.
 
Die Nebel in frierende Bäume zerstreut,
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In herbstlichen Wäldern irren die Seelen allein
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Tief in die Wildnis und kühles Dunkel hinein,
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Sich zu verbergen vor dem Lebenden weit.
 
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Aber riesig schreitet über dem Untergang
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Blutiger Tage groß wie ein Schatten der Tod,
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Und feurig tönet aus fernen Ebenen rot
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Noch der Sterbenden Schreien und Lobgesang.

(„Der Krieg II“ von Georg Heym ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (24.3 KB) zur Unterstützung an.)

Mit 24 Jahren, im Jahr 1911, schrieb Heym „Der Krieg I“. Er personifizierte bereits in der ersten Zeile den Krieg „Aufgestanden ist er, welcher lange schlief […]“ („Der Krieg I“) und veranschaulicht somit den Krieg, er lässt ihn für uns Leser lebendig wirken. Durch die Farbgebung wie „Dämmerung, schwarze Hand, fremde Dunkelheit, schwarze Haupt, Gesicht erbleicht“ („Der Krieg I“) usw. wird ebenfalls der Zustand, in welchen sich die Personen, in der Zeit des Krieges, befanden, für uns deutlicher. Die Zeit war düster, grausam, gefährlich und auch erdrückend. Diese Beschreibungen passen nicht zu dem Vorwurf. „Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an“ („Der Krieg I“) könnte jetzt als Kritikpunkt von Kritikern genannt werden, da diese Zeile eher positiv, durch das Tanzen, wirkt. Aber im gesamten Kontext ist diese Aussage von Georg Heym vermutlich als Ironie zu betrachten, denn er verspottet eher den Krieg, außerdem die, die den Kriegszug möchten und führen.

In dem Werk „Der Krieg II“ ist die Wortwahl und die Stimmung ebenfalls eher dunkel, düster und kalt gewählt worden, um den Charakter des Krieges zu verdeutlichen. „Blutiger Tage groß wie ein Schatten der Tod“ („Der Krieg II“) ein Zitat von Heym, in welchen er herablassend über den Tod herzieht mit einer recht brutalen Wortwahl. Um den Vorwurf entgegenzuwirken, dass, besonders von Georg Heym, über das Thema des Kriegszugs geschrieben worden ist, schauen wir uns die literarischen Motive des Expressionismus an. Die Offenbarung einer Ästhetik der Hässlichen und Kranken ist ein wichtiger Anlass des Schreibens der Lyriker. Georg Heym machte davon in diesen beiden Werken, in dem er von Krieg geschrieben hat, gebrauch. Nun stellt sich die Frage, warum unsere Bürger unserer Stadt die Geschichte und Merkmale der expressionistischen Epoche infrage stellen, obwohl die Zeit prägend war. Nach dieser Betrachtung kann man nicht sagen, dass aufgrund seiner Gedichte der Krieg von Heym verherrlicht wird. Es wird eher deutlich von der Gefahr der Menschen gewarnt, welchen der Feldzug mit sich bringt.

Das schreckliche wird in der Epoche, in welcher Georg Heym veröffentlicht hat, oft deutlich gemacht. „HEYM hämmerte […] Visionen des Todes, des Grauens, der Verwesung in zermalmenden Strophen […]“, schreibt Kurt Pinthus im Jahr 1919. Zu diesen Visionen gehört auch der Krieg, welchen der Lyriker angeblich beschönigt. Doch er beschreibt eher das Dunkle, so wie es in seinen zwei bereits erwähnten Veröffentlichungen deutlich geworden ist. Ein Kriegszug ist das beste Beispiel für schreckliches und hässliches, sowohl damals, in den Jahren des Expressionismus, als auch heute. Ein lyrisches Gedicht bezweckt es Aufmerksamkeit zu erregen, mithilfe von bildlichen Darstellungen. Somit arbeiten die Künstler oft mit einem ironischen Unterton, sowie Heym in „Der Krieg I“, man darf nicht alles wortwörtlich lesen, wie es im Text steht, man muss den Hintergrund betrachten. Die Entstehungszeit spielt eine wichtige Rolle. Der Expressionismus, welcher in der Zeit von 1910 bis 1925 einzuordnen ist, ist von starken politischen Spannungen geprägt worden. Somit ist zu sagen, dass es durchaus berechtigt ist, von dem Lyriker Georg Heym, den Krieg als Beispiel des Schrecklichen, bildlich zu verdeutlichen bzw. darzustellen, welcher zur vermutlichen Verherrlichung kommt.

Kurt Pinthus ist ein Zeitzeuge von Heym, welcher sich, im Jahr 1919, zunächst begeistert zu Georg Heym äußert (vgl. Kurt Pinthus 1919). 40 Jahre später ist Pinthus nicht mehr so begeistert vom Expressionismus, Werte und Normen würden von der Ausdruckskunst zerstört werden. Diese Änderung zeigt Menschlichkeit. Die Sicht auf rückblickende Zeiten können sich ändern. Deshalb ist es wichtig sich mit dieser Debatte zu befassen, da der Straßenname für eine sehr lange Zeit nicht umgeändert werden soll.

Nun zum Schluss würde ich den Brief schließen und sagen, dass Georg Heym durch eine Straße unserer Stadt geehrt werden sollte, da er eine prägende Person des Expressionismus ist und mit seinen Werken keinesfalls den Krieg verherrlicht, sondern uns heute, die nicht in der Zeit der Weltkriege lebten, darauf aufmerksam macht, wie schrecklich dieser doch war.

Ihre Mitbürgerin,

Pia

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