Heym, Georg - Der Krieg (Interpretation)
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Referat
Der Krieg - Georg Heym
Der Krieg I
von Georg Heym
1 |
Aufgestanden ist er, welcher lange schlief, |
2 |
Aufgestanden unten aus Gewölben tief. |
3 |
In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt, |
4 |
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand. |
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5 |
In den Abendlärm der Städte fällt es weit, |
6 |
Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit, |
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Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis. |
8 |
Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß. |
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In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht. |
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Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht. |
11 |
In der Ferne wimmert ein Geläute dünn |
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Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn. |
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Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an |
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Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an. |
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Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt, |
16 |
Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt. |
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Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut, |
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Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut. |
19 |
Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt, |
20 |
Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt. |
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21 |
Über runder Mauern blauem Flammenschwall |
22 |
Steht er, über schwarzer Gassen Waffenschall. |
23 |
Über Toren, wo die Wächter liegen quer, |
24 |
Über Brücken, die von Bergen Toter schwer. |
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25 |
In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein |
26 |
Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein. |
27 |
Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt, |
28 |
Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt. |
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29 |
Und mit tausend roten Zipfelmützen weit |
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Sind die finstren Ebnen flackend überstreut, |
31 |
Und was unten auf den Straßen wimmelt hin und her, |
32 |
Fegt er in die Feuerhaufen, daß die Flamme brenne mehr. |
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33 |
Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald, |
34 |
Gelbe Fledermäuse zackig in das Laub gekrallt. |
35 |
Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht |
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In die Bäume, daß das Feuer brause recht. |
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37 |
Eine große Stadt versank in gelbem Rauch, |
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Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch. |
39 |
Aber riesig über glühnden Trümmern steht |
40 |
Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht, |
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Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein, |
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In des toten Dunkels kalten Wüstenein, |
43 |
Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr, |
44 |
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh. |
(„Der Krieg I“ von Georg Heym ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (27.4 KB) zur Unterstützung an.)
Gedichtinterpretation
Das zu interpretierende Gedicht “Der Krieg“, das der Autor Georg Heym, der 1887 geboren wurde, kurz vor dem ersten Weltkrieg veröffentlichte, erzählt von dem personifizierten Krieg, der langsam erwacht, größer und grausamer wird, schließlich das ganze Land heimsucht und verwüstet zurückläßt. In der ersten Strophe beschreibt der Autor die Auferstehung des Krieges und die dunkle Vorahnung, die das Land daraufhin erfaßt. Doch in den Städten nehmen die Bewohner nur langsam die drohende Gefahr war und erst als der Krieg seine Heere zu sich ruft, scheint jedem die Präsenz des Krieges bewußt zu sein. Er überfällt nicht nur die Städte sondern auch die Länderein und hinterläßt Berge von Toten sowie brennende Wälder und Felder. Wo man hinsieht steht alles in Flammen und die einst so schönen Landschaften und die idyllischen Städte scheinen nicht mehr zu existieren. Nach Beendung seines grausamen Werkes verschwindet der Krieg schließlich und wirft noch mal einen letzten Blick auf das Schlachtfeld und das Ausmaß seiner Zerstörung. Mit diesem Rückblick endet das 11-strophige Gedicht. Jede Strophe besteht aus 4 Versen, welche alle zwei Paarreime beinhalten. Das Versmaß ist durchgehend ein 6-hebiger Trochäus mit männlichen Kadenzen und läßt sich gut mit der fließenden Bewegung des Krieges vergleichen, die durch dieses Metrum noch verstärkt wird.
Auffällig am Gedicht sind unter anderem die vielen Metaphern und das große Farbenspektrum der bunten und unbunten Farben. So beschreibt Georg Heym durch eine Metapher die dunkle Vorahnung und die, die Menschen langsam beschleichende, Angst, indem er das „muntere Marktreiben“( im Gedicht: „der Märkte Wirbel“) der Städter “zu Eis“ stocken läßt (Z.7). Das Einsetzen der Farben regt die Fantasie des Lesers zu einem sehr realen Bild des beschriebenen Szenarios an, was der Autor nutzt um wie in Zeile 29 die kleinen züngelnden Flammen, die auf den Baumkronen zusehen sind mit „rote Zipfelmützen“ zu vergleichen. Des weiteren vergleicht er die riesigen Feuerschwalle, die sich durch die Äcker „fresse“ mit dem roten, dreiköpfigen Höllenhund Zerberus(Z.26) aus der griechischen Antike. Das ganze Gedicht ist mit farbig umschriebenen Begriffen versehen, die dafür sorgen, dass eine schnelle Einordnung der Gefühle des Lesers durch Assoziation möglich ist. Deutlich zuerkennen ist dies durch den Begriff „Krieg“ der immer wieder im Zusammenhang mit der Farbe Schwarz auftaucht(s. Z.4,15,27 usw.).
Doch der Autor benutzt nicht nur diese Besonderheiten, sondern setzt auch ganz normale Stilmittel, wie zum Beispiel eine doppelte Alliteration in Zeile 33 (Flammen fressend) oder eine Anapher (6. Strophe 2ter Paarreim)ein, um dem Leser seine Gedanken und Ansichten zu übermitteln. So beschreibt das Gedicht den Krieg im Allgemeinen und übermittelt dem Leser den Verlauf und die Folgen eines solchen politischen Umstands durch die Personifikation. Hierdurch entsteht eine ganz andere Art des Betrachtens. Der Leser bemerkt nämlich die Schuld der eigenen Rasse an diesen schrecklichen Auseinandersetzungen und wird deutlich auf die schlimmen Folgen hingewiesen. Das Gedicht bekommt also einen warnenden Charakter, der durch die Personifikation, die ja etwas menschliches vermittelt, geprägt wird. Es entstehen immer wieder Kriege durch menschliches Handeln, obwohl die Konsequenzen allen hinlänglich bekannt sind und von der ganzen Welt wieder aufs Neue beweint werden. Der Krieg, entstanden und geplant in den Köpfen von Politikern oder Terroristen, fordert den Tod von Soldaten und unschuldigen Zivilisten und bringt die Natur aus dem Gleichgewicht. Ich denke, der Autor des Gedichts möchte dem Leser aufzeigen, dass der Krieg, egal zu welchem Zeitalter und in welchem Größenverhältniss, immer die gleichen Folgen nach sich zieht und der Mensch, trotz der schon so oft gemachten Erfahrung, sich nicht bessert und eines Tages sogar eventuell durch sein eigenes Handeln zerstört wird (siehe letzter Vers: Gomorrha: Die Menschen wurden samt Stadt für ihr schlechtes Handel durch Zerstörung und Tod bestraft.).
Gedichtprofil
Allgemein
- Name: Der Krieg
- Autor: Georg Heym
- Veröffentlicht: 1910
- Epoche: Expressionismus
- Gattung: Stadtlyrik
Formal
- Verse: 44
- Strophen: 11
- Metrum: Trochäus
- Reimschema: aabb, ccdd, eeff, gghh, iijj, usw.
- Reimart: Paarreim
- Kadenz: männlich
Sprachlich/Stilistisch
- Wortfelder: Natur, Stadt
- Adjektive: glühend, tief, unbekannt, fremd, zackig
- Tempus: Präsens
- Stilmittel: Anapher (V.1-2,23-24),Asyndeton (V.7), Ellipse (V.8), Metapher (V.12), Paradoxon (V.21), Inversion (V.25), Alliteration (V.33), Repetitio (V.33)
Erzähler
- Lyrisches Ich: Nein
- Perspektive: Auktorial
- Haltung: kritisch
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