Der Blinde von Georg Heym
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Man setzt ihn hinter einen Gartenzaun. |
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Da stört er nicht mit seinen Quälerein. |
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„Sieh Dir den Himmel an!“ Er ist allein. |
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Und seine Augen fangen an zu schaun. |
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Die toten Augen. „O, wo ist er, wie |
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Ist denn der Himmel? Und wo ist sein Blau? |
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O Blau, was bist Du? Stets nur weich und rauh |
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Fühlt meine Hand, doch eine Farbe nie.“ |
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„Nie Purpurrot der Meere. Nie das Gold |
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Des Mittags auf den Feldern, nie den Schein |
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Der Flamme, nie den Glanz im edlen Stein, |
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Nie langes Haar, das durch die Kämme rollt.“ |
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„Niemals die Sterne. Wälder nie, nie Lenz |
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Und seine Rosen. Stets durch Grabesnacht |
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Und rote Dunkelheit werd’ ich gebracht |
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In grauenvollem Fasten und Karenz.“ |
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Sein bleicher Kopf steigt wie ein Lilienschaft |
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Aus magrem Hals. Auf seinem dürren Schlund |
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Rollt wie ein Ball des Adamsapfels Rund. |
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Die Augen quellen aus der engen Haft, |
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Ein Paar von weißen Knöpfen. Denn der Strahl |
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Des weißen Mittags schreckt die Toten nicht. |
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Der Himmel taucht in das erloschene Licht |
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Und spiegelt in dem bleiernen Opal. |
Details zum Gedicht „Der Blinde“
Georg Heym
6
24
173
1911
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Blinde“ wurde von dem deutschen Schriftsteller Georg Heym verfasst, der in der Zeit des Expressionismus lebte und arbeitete. Dieser starb bereits im jungen Alter von 24 Jahren im Jahr 1912, weshalb das Gedicht vor diesem Datum entstanden sein muss.
Der Titel des Gedichts „Der Blinde“ gibt bereits einen starken ersten Eindruck des Themas des Gedichtes. Es scheint, dass es sich um einen blinden Menschen handelt, der mit seinen Einschränkungen und der Unfähigkeit die Welt so zu sehen, wie es Sehende tun, zu kämpfen hat.
Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich das isolierte Leben dieses blinden Menschen. Die ersten Zeilen veranschaulichen dessen Einsamkeit und distanzierte Behandlung durch andere, denn „man setzt ihn hinter einen Gartenzaun“, um sich nicht mit ihm auseinandersetzen zu müssen. Als der blinde Mann dann aufgefordert wird, „den Himmel anzusehen“, beginnt er, über seine Blindheit und seine Unfähigkeit Farben zu sehen, zu sinnieren. Mit tiefer Melancholie beklagt er das Fehlen von Farben in seiner Wahrnehmung und die vielen schönen Aspekte des Lebens, die ihm durch seine Blindheit vorenthalten werden.
Die Sprache des Gedichtes ist klar, aber zugleich sehr ausdrucksstark und bildhaft. Heym verwendet viele Metaphern und Vergleiche, um das Leiden des lyrischen Ichs zu verdeutlichen. Auch die Form des Gedichts unterstützt diese bildhafte Darstellung. Jede der sechs Strophen besteht aus vier Versen, wobei die ersten drei Strophen die negativen Aspekte und die Einschränkungen der Blindheit thematisieren. Die letzten drei Strophen liefern eine detaillierte Beschreibung des blinden Menschen und seiner Wahrnehmung der Welt.
Die melancholische Stimmung des Gedichts spiegelt die Situation des blinden Mannes wider, der sich nach dem Sein sehnt, das ihm verwehrt bleibt. Dabei drückt das Gedicht sowohl individuelles Leid als auch soziale Isolation und Ausgrenzung aus. Durch diese Kombination verdeutlicht Heym die Schwierigkeiten und Herausforderungen, mit denen blinde Menschen in der Gesellschaft konfrontiert sind.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Blinde“ des Autors Georg Heym. Heym wurde im Jahr 1887 in Hirschberg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1911 entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Heym handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 173 Worte. Georg Heym ist auch der Autor für Gedichte wie „Columbus“, „Das Fieberspital“ und „Der Abend“. Zum Autor des Gedichtes „Der Blinde“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 79 Gedichte vor.
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