Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen von Georg Heym
Umbra Vitae
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Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen |
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Und sehen auf die großen Himmelszeichen, |
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Wo die Kometen mit den Feuernasen |
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Um die gezackten Türme drohend schleichen. |
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Und alle Dächer sind voll Sternedeuter, |
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Die in den Himmel stecken große Röhren. |
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Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern, |
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In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören. |
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Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen |
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In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragen |
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Das Wälzen und das Jammern vieler Siechen, |
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Und welche rennen mit den Totenschragen. |
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Selbstmörder gehen nachts in großen Horden, |
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Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen, |
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Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden, |
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Den Staub zerfegend mit den Armen-Besen. |
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Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile, |
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Die Haare fallen schon auf ihren Wegen, |
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Sie springen, daß sie sterben, ?nun? in Eile, |
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Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen. |
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Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere |
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Stehn um sie blind, und stoßen mit dem Horne |
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In ihren Bauch. Sie strecken alle viere |
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Begraben unter Salbei und dem Dorne. |
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[Das Jahr ist tot und leer von seinen Winden, |
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Das wie ein Mantel hängt voll Wassertriefen, |
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Und ewig Wetter, die sich klagend winde |
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Aus Tiefen wolkig wieder zu den Tiefen.] |
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Die Meere aber stocken. In den Wogen |
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Die Schiffe hängen modernd und verdrossen, |
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Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen |
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Und aller Himmel Höfe sind verschlossen. |
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Die Bäume wechseln nicht die Zeiten |
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Und bleiben ewig tot in ihrem Ende |
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Und über die verfallnen Wege spreiten |
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Sie hölzern ihre langen Finger-Hände. |
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Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben, |
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Und eben hat er noch ein Wort gesprochen. |
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Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben? |
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Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen. |
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Schatten sind viele. Trübe und verborgen. |
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Und Träume, die an stummen Türen schleifen, |
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Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen, |
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Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen. |
Details zum Gedicht „Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen“
Georg Heym
11
44
306
1912
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts „Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen“ ist Georg Heym, ein deutscher expressionistischer Dichter der zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebte. Seine Werke sind stark von der Stimmung der damaligen Zeit und der persönlichen Verfassung des Dichters geprägt.
Auf den ersten Blick stellt das Gedicht eine düstere und etwas bedrohliche Atmosphäre dar, die von den apokalyptischen Bildern der Stadt, den indifferenten Massen und den Meldungen von Krankheit und Tod geprägt ist.
Inhaltlich setzt sich das lyrische Ich mit der Situation der Menschen auseinander, die in einer Atmosphäre der Bedrohung und des Verderbens leben. Es werden apokalyptische und düster-bedrohliche Bilder der Stadt und die Angst vor kommender Katastrophe zum Ausdruck gebracht. Es wird eine Atmosphäre der Endzeitstimmung erzeugt, in der Krankheit, Tod und Verzweiflung herrschen. Das Gedicht kommentiert damit die damalige gesellschaftliche Lage und Ausdruck der inneren Zerrissenheit des Autors.
Die Form des Gedichts ist auffallend regelmäßig und strukturiert. Jede der elf Strophen besteht aus vier Versen, was für eine besondere Ordnung und Struktur spricht, die im Kontrast zur beschriebenen Chaos und Unordnung steht. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch, sie arbeitet mit einer Reihe von miteinander verbundenen Bildern und Metaphern, um die Stimmung und den Inhalt zu transportieren. Dabei wird ein starkes Gefühl von Beklemmung, Angst und Unsicherheit erzeugt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Georg Heyms Gedicht „Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen“ eine düster-bedrohliche Atmosphäre und eine pessimistische Sicht auf die Menschheit und ihre Zukunft transportiert. Es ist ein starkes Beispiel für die expressionistische Lyrik der frühen 20. Jahrhunderts, in der die damalige gesellschaftliche Realität mit ihrer Kriegs- und Krisenstimmung sowie die innere Zerrissenheit und Ängste des Individuums zum Ausdruck gebracht werden.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Georg Heym. Geboren wurde Heym im Jahr 1887 in Hirschberg. Das Gedicht ist im Jahr 1912 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Expressionismus zu. Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 306 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 44 Versen. Die Gedichte „Der Blinde“, „Der Fliegende Holländer“ und „Der Gott der Stadt“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Zum Autor des Gedichtes „Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 79 Gedichte vor.
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