Allerseelen von Georg Heym

Geht ein Tag ferne aus, kommt ein Abend.
Brennt ein Stern in der Höhe zur Nacht.
Wehet das Gras. Und die Wege alle
Werden in Dämmrung zusammengebracht.
 
Viele sind über die Steige gegangen.
Ihre Schatten sind ferne zu sehn,
Und sie tragen an schwankenden Stangen
Ihre Fackeln, die wandern und wehn.
 
Mauern sind viele, und Gräber, und wenige Bäume.
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Manche Tore darin, wo der Lorbeer trauert.
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Viele sitzen in Haufen über den Kreuzen,
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Ihre Lichter behütend, wenn der Regen schauert.
 
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Und ein Rot steckt im Walde, dürr wie ein Finger,
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Wo der Abend hänget in wolkiger Zeit
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Mit dem wenigen Licht. Und geringer
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Rings ist das Nahe, und die Weite so weit.
 
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Doch ewig ist der Wind, der nimmer schweiget
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In dunklem Lande, herbstlich schon erbraunet,
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Der dunkle Bilder viel vorüber zeiget
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Und dunkle Worte flüchtig trübe raunet.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Allerseelen“

Autor
Georg Heym
Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
138
Entstehungsjahr
1887 - 1912
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das besprochene Gedicht ist „Allerseelen“ von Georg Heym. Heym war ein bedeutender expressionistischer Dichter in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts, er lebte von 1887 bis 1912, was das Gedicht in die literaturhistorische Epoche des Expressionismus einordnet.

Auf den ersten Blick drückt das Gedicht durch den Titel „Allerseelen“ bereits den Kontext des Gedenkens an die Toten aus, was zu einer düsteren und schlussendlich ernsten Atmosphäre führt. Die regelmäßige Struktur aus vier Strophen und gleichmäßige Verslänge unterstreicht die ernsthaftige Stimmung.

Das Gedicht erzählt von der Vergänglichkeit eines Tages, wobei das lyrische Ich den Übergang vom Tag zum Abend und zur Nacht beobachtet. Es beschäftigt sich dabei mit der Metapher des Lebensweges, der schließlich im Tod endet. Spuren und Erinnerungen von Leuten, die schon vor dem lyrischen Ich diesen Weg gegangen sind, sind zu erkennen. Die düstere Stimmung des Abends und der einsamen Landschaft verstärkt die Botschaft, dass das Leben vergänglich ist. Die ständig wechselnden Natur- und Landschaftsbilder, angefangen beim Tag- und Nachtwechsel, über die Wege und Steige bis hin zur weiten und erbräunten Landschaft, zeugen von einer konstanten Bewegung, die den unaufhaltbaren Fortschritt der Zeit symbolisiert.

Die formale Struktur des Gedichtes besteht aus fünf Strophen mit jeweils vier Versen, was eine klare und sorgfältige Komposition vermuten lässt. Allerdings folgt das Gedicht nicht dem strengen Reimschema, das für die expressionistische Lyrik üblich ist, was auf die individuelle Formgebung von Heym hinweist. Die Sprache ist frei von aufwendigen Verzierungen und wirkt dadurch atmosphärisch-dicht und beinahe bedrückend. Es dominiert der Gebrauch dunkler Farben und Naturbilder, welche die melancholische Stimmung unterstreichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Heyms „Allerseelen“ die unvermeidliche Vergänglichkeit des Lebens und die ständige Veränderung als universelle Naturgesetze thematisiert werden. Die düstere Natur- und Landschaftsbilder sowie die dunklen Farben unterstreichen die ernste Stimmung und betonen die Melancholie des lyrischen Ichs über den unaufhaltbaren Genius des Todes und den Verlust von geliebten Menschen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Allerseelen“ des Autors Georg Heym. Geboren wurde Heym im Jahr 1887 in Hirschberg. Zwischen den Jahren 1903 und 1912 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Expressionismus zu. Der Schriftsteller Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 138 Worte. Die Gedichte „Das Fieberspital“, „Der Abend“ und „Der Baum“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Allerseelen“ weitere 79 Gedichte vor.

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