Wie so leis die Blätter wehn von Clemens Brentano

Wie so leis die Blätter wehn
In dem lieben stillen Hain,
Sonne will schon schlafen gehn,
Läßt ihr goldnes Hemdelein
Sinken auf den grünen Rasen
Wo die schlanken Hirsche grasen
In dem roten Abendschein.
Gute Nacht, Heiapopeia
Singt, Gockel, Hinkel und Gackeleia.
 
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In der Quellen klarer Flut
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Treibt kein Fischlein mehr sein Spiel,
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Jedes sucht, wo es ruht,
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Sein gewöhnlich Ort und Ziel
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Und entschlummert überm Lauschen
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Auf der Wellen leises Rauschen
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Zwischen bunten Kieseln kühl.
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Gute Nacht, Heiapopeia Singt,
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Gockel, Hinkel und Gackeleia.
 
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Schlank schaut auf der Felsenwand
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Sich die Glockenblume um,
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Denn verspätet über Land
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Will ein Bienchen mit Gebrumm,
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Sich zur Nachtherberge melden
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In den zarten blauen Zelten,
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Schlüpft hinein und wird ganz stumm.
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Gute Nacht, Heiapopeia Singt,
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Gockel, Hinkel und Gackeleia.
 
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Vöglein, euer schwaches Nest
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Ist das Abendlied vollbracht
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Wird wie eine Burg so fest.
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Fromme Vöglein schützt zur Nacht,
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Gegen Katz und Marderkrallen,
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Die im Schlaf sie überfallen,
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Gott, der über alle wacht.
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Gute Nacht, Heiapopeia Singt,
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Gockel, Hinkel und Gackeleia.
 
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Treuer Gott, du bist nicht weit,
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Und so ziehn wir ohne Harm
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In die wilde Einsamkeit,
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Aus des Hofes eitelm Schwarm.
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Du wirst uns die Hütte bauen,
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Daß wir fromm und voll Vertrauen
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Sicher ruhn in deinem Arm.
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Gute Nacht, Heiapopeia Singt,
45 
Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Wie so leis die Blätter wehn“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
45
Anzahl Wörter
212
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wie so leis die Blätter wehn“ stammt von Clemens Brentano, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1778 bis 1842 lebte. Er zählt zur literarischen Epoche der Romantik, welche sich Ende des 18. bis Mitte des 19 Jahrhunderts entwickelte.

Betrachtet man das Gedicht auf den ersten Blick, fällt die harmonische und ruhige Atmosphäre auf, die durch die natürlichen Motive hervorgerufen wird. Der besungene Tagesablauf strahlt eine friedliche und idyllische Szenerie aus, die einen unmittelbaren Eindruck von Harmonie und Einkehr hinterlässt.

Das Gedicht vermittelt eine Beobachtung der Natur während des Überganges vom Tag zur Nacht. Es beginnt mit dem Hinweis auf das leise Wehen der Blätter und die Sonne, die zu schlafen geht, und die damit verbundenen Ereignisse, wie die Hirsche, die grasen, und das Sinken der goldenen Sonnenstrahlen. In den folgenden Strophen werden weitere Szenen ausgeführt, die den herannahenden Abend anzeigen, wie Fische, die aufhören zu spiel, Bienchen, die nach Hause kommen und Vögel, die ihre Nester schützen. In der Schlussstrophe nimmt das Gedicht eine religionsphilosophische Wende und wendet sich direkt an Gott als den Beschützer.

Clemens Brentano verwendet in seinem Gedicht einen sehr bildreichen und farbenintensiven Sprachstil. Besonders auffällig sind die wiederkehrenden Wortpaare wie „Heiapopeia“ und „Gockel, Hinkel und Gackeleia“, die sich jeweils auf den letzten beiden Versen jeder Strophe wiederholen und einen refrainghaften Eindruck hinterlassen. Die Sprache ist sehr leicht und fluide, der Rhythmus gleicht einem angenehmen Wechselspiel und unterstützt die ruhige, von der Dämmerung geprägte Atmosphäre.

In Form und Aufbau ist das Gedicht klassisch gehalten. Es besteht aus fünf Strophen mit je neun Versen. Jede Strophe endet mit den gleichen beiden Versen, was dem Gedicht einen einheitlichen, harmonischen Klang verleiht. Der Reim ist durchgehend, aber nicht durchgehend gleich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Wie so leis die Blätter wehn“ – typisch für die Romantik – das Wesen und die Stimmung der Natur intensiv wahrnimmt und schildert, um das Gefühlsleben des lyrischen Ichs darzustellen. Gleichzeitig ist es Ausdruck des romantischen Ziels, eine Harmonie zwischen Mensch, Natur und Gott zu erreichen. Diese Harmoniesuche manifestiert sich vor allem in der Schlussstrophe, in der das lyrische Ich Gott um Schutz und Geborgenheit bittet.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Wie so leis die Blätter wehn“ ist Clemens Brentano. Geboren wurde Brentano im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz). Zwischen den Jahren 1794 und 1842 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Der Schriftsteller Brentano ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Epoche lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Romantiker in Auflösung begriffen. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Andere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Mysteriöse, Geheimnisvolle und galt als Ursprung der Liebe. Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das 212 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 45 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Clemens Brentano sind „Im Wetter auf der Heimfahrt“, „Die Abendwinde wehen“ und „14. Juli 1834“. Zum Autor des Gedichtes „Wie so leis die Blätter wehn“ haben wir auf abi-pur.de weitere 298 Gedichte veröffentlicht.

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