An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich von Annette von Droste-Hülshoff
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An die Schriftstellerinnen |
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in Deutschland und Frankreich |
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Ihr steht so nüchtern da gleich Kräuterbeeten |
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Und ihr gleich Fichten die zerspellt von Wettern |
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Haucht wie des Hauches Hauch in Syrinxflöten |
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Laßt wie Dragoner die Trompeten schmettern; |
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Der kann ein Schattenbild die Wange röten |
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Die wirft den Handschuh Zeus und allen Göttern; |
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Ward denn der Führer euch nicht angeboren |
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In eigner Brust, daß ihr den Pfad verloren? |
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Schaut auf! zur Rechten nicht - durch Tränengründe, |
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Mondscheinalleen und blasse Nebeldecken, |
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Wo einsam die veraltete Selinde |
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Zur Luna mag die Lilienarme strecken; |
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Glaubt, zur Genüge hauchten Seufzerwinde, |
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Längst überfloß der Sehnsucht Tränenbecken; |
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An eurem Hügel mag die Hirtin klagen, |
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Und seufzend drauf ein Gänseblümchen tragen. |
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Doch auch zur Linken nicht - durch Winkelgassen, |
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Wo tückisch nur die Diebslaternen blinken, |
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Mit wildem Druck euch rohe Hände fassen, |
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Und Smollis Wüstling euch und Schwelger trinken, |
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Der Sinne Bachanale, wo die blassen |
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Betäubten Opfer in die Rosen sinken, |
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Und endlich, eures Sarges letzte Ehre, |
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Man drüber legt die Kränze der Hetäre. |
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O dunkles Los! o Preis mit Schmach gewonnen, |
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Wenn Ruhmes Staffel wird der Ehre Bahre! |
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Grad', grade geht der Pfad, wie Strahl der Sonnen! |
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Grad', wie die Flamme lodert vom Altare! |
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Grad', wie Natur das Berberroß zum Bronnen |
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Treibt mitten durch die Wirbel der Sahare! |
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Ihr könnt nicht fehlen, er, so mild umlichtet, |
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Der Führer ward in euch nicht hingerichtet. |
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Treu schützte ihn der Länder fromme Sitte, |
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Die euch umgeben wie mit Heil'genscheine, |
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Sie hielt euch fern die freche Liebesbitte, |
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Und legte Anathem auf das Gemeine. |
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Euch nahte die Natur mit reinem Schritte, |
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Kein trunkner Schwelger über Stock und Steine, |
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Ihr mögt ihr willig jedes Opfer spenden, |
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Denn alles nimmt sie, doch aus reinen Händen. |
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Die Zeit hat jede Schranke aufgeschlossen, |
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An allen Wegen hauchen Naphthablüten, |
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Ein reizend scharfer Duft hat sich ergossen, |
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Und jeder mag die eignen Sinne hüten. |
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Das Leben stürmt auf abgehetzten Rossen, |
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Die noch zusammenbrechend haun und wüten. |
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Ich will den Griffel eurer Hand nicht rauben, |
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Singt, aber zitternd, wie vom Weih' die Tauben. |
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Ja, treibt der Geist euch, laßt Standarten ragen! |
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Ihr war't die Zeugen wild bewegter Zeiten, |
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Was ihr erlebt, das läßt sich nicht erschlagen, |
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Feldbind' und Helmzier mag ein Weib bereiten; |
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Doch seht euch vor wie hoch die Schwingen tragen, |
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Stellt nicht das Ziel in ungemeßne Weiten, |
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Der kecke Falk ist überall zu finden, |
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Doch einsam steigt der Aar aus Alpengründen. |
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Vor allem aber pflegt das anvertraute, |
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Das heil'ge Gut, gelegt in eure Hände, |
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Weckt der Natur geheimnisreichste Laute, |
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Kniet vor des Blutes gnadenvoller Spende; |
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Des Tempels pflegt, den Menschenhand nicht baute, |
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Und schmückt mit Sprüchen die entweihten Wände, |
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Daß dort, aus dieser Wirren Staub und Mühen, |
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Die Gattin mag, das Kind, die Mutter knieen. |
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Ihr hörtet sie die unterdrückten Klagen |
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Der heiligen Natur, geprägt zur Dirne. |
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Wer hat sie nicht gehört in diesen Tagen, |
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Wo nur ein Gott, der Gott im eignen Hirne? |
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Frischauf! - und will den Lorbeer man versagen. |
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O Glückliche mit unbekränzter Stirne! |
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O arm Gefühl, das sich nicht selbst kann lohnen! |
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Mehr ist ein Segen als zehntausend Kronen! |
Details zum Gedicht „An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“
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1797 - 1848
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das von Annette von Droste-Hülshoff geschriebene Gedicht „An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“ stammt aus der Romantik und Biedermeier Epoche im 19. Jahrhundert.
Auf den ersten Blick bemerkt man, dass das Gedicht eine direkte Botschaft an Schriftstellerinnen richtet. Es mag aus heutiger Sicht ein wenig kryptisch wirken, jedoch nur, weil es Kontext des 19. Jahrhunderts benötigt.
Inhaltlich wendet sich Droste-Hülshoff an weibliche Schreibende ihrer Zeit. Sie warnt sie davor, in Extreme abzudriften, weder in übermäßige Emotionalität und Melancholie, noch in eine entfesselte, skandalöse Freizügigkeit. Sie fordert ihre Kolleginnen dazu auf, den rechten Weg zu wählen, sich selbst und der Welt gegenüber ehrlich zu sein und nicht zu vergessen, dass sie Führerinnen in einem wichtigen Bereich der Kultur sind.
Die Form des Gedichts ist eine interessante Mischung aus strengem Rhythmus und freien Reimen. Es besteht aus jeweils achtzeiligen Strophen, die sich im Reimschema ABABCDCD folgen. Dies verleiht dem Gedicht einen rhythmischen, fast liedhaften Klang.
Die Sprache des Gedichts ist typisch für Droste-Hülshoff und ihre Zeit: Sie ist nicht einfach und direkt, sondern erfordert eine gewisse Nachdenklichkeit und Interpretation. Sie verwendet viele Metaphern und Anspielungen, ihre Wortwahl ist eher gehoben und sie spielt mit verschiedenen Bedeutungsebenen und mit Erwartungen.
Zusammenfassend handelt es sich bei Annette von Droste-Hülshoffs „An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“ um ein komplexes, anspruchsvolles Gedicht, das die Schriftstellerinnen ihrer Zeit auffordert, sich der Verantwortung bewusst zu sein, die mit ihrem Beruf einhergeht. Es bietet auch Einblicke in den Zustand der weiblichen Literatur und Kultur im 19. Jahrhundert und stellt wichtige Fragen, die auch heute noch relevant sind.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“ der Autorin Annette von Droste-Hülshoff. Droste-Hülshoff wurde im Jahr 1797 geboren. Im Zeitraum zwischen 1813 und 1848 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten der Autorin lassen eine Zuordnung zur Epoche Biedermeier zu. Bei der Schriftstellerin Droste-Hülshoff handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 74 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 504 Worte. Annette von Droste-Hülshoff ist auch die Autorin für das Gedicht „Letzte Worte“, „Im Grase“ und „An meine Mutter“. Zur Autorin des Gedichtes „An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich“ haben wir auf abi-pur.de weitere 123 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Annette von Droste-Hülshoff sind auf abi-pur.de 123 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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