Der Weiher von Annette von Droste-Hülshoff

Er liegt so still im Morgenlicht,
So friedlich, wie ein fromm Gewissen;
Wenn Weste seinen Spiegel küssen,
Des Ufers Blume fühlt es nicht;
Libellen zittern über ihn,
Blaugoldne Stäbchen und Karmin,
Und auf des Sonnenbildes Glanz
Die Wasserspinne fahrt den Tanz;
Schwertlilienkranz am Ufer steht
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Und horcht des Schilfes Schlummerliede;
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Ein lindes Säuseln kommt und geht,
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Als flüstr' es: Friede! Friede! Friede!
 
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Das Schilf
 
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Stille, er schläft, stille! stille!
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Libelle, reg die Schwingen sacht,
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Daß nicht das Goldgewebe schrille,
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Und, Ufergrün, halt gute Wacht,
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Kein Kieselchen laß niederfallen.
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Er schläft auf seinem Wolkenflaum,
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Und über ihn läßt säuselnd wallen
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Das Laubgewölb' der alte Baum;
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Hoch oben, wo die Sonne glüht,
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Wieget der Vogel seine Flügel,
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Und wie ein schlüpfend Fischlein zieht
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Sein Schatten durch des Teiches Spiegel.
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Stille, stille! er hat sich geregt,
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Ein fallend Reis hat ihn bewegt,
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Das grad zum Nest der Hänfling trug;
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Su, Su! breit, Ast, dein grünes Tuch
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Su, Su! nun schläft er fest genug.
 
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Die Linde
 
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Ich breite über ihn mein Blätterdach
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So weit ich es vom Ufer strecken mag.
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Schau her, wie langaus meine Arme reichen,
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Ihm mit den Fächern das Gewürm zu scheuchen,
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Das hundertfarbig zittert in der Luft
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Ich hauch' ihm meines Odems besten Duft,
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Und auf sein Lager laß ich niederfallen
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Die lieblichste von meinen Blüten allen;
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Und eine Bank lehnt sich an meinen Stamm,
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Da schaut ein Dichter von dem Uferdamm,
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Den hör' ich flüstern wunderliche Weise,
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Von mir und dir und der Libell' so leise,
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Daß er den frommen Schläfer nicht geweckt;
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Sonst wahrlich hätt' die Raupe ihn erschreckt,
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Die ich geschleudert aus dem Blätterhag.
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Wie grell die Sonne blitzt; schwül wird der Tag.
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O könnt' ich! könnt' ich meine Wurzeln strecken
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Recht mitten in das tief kristallne Becken,
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Den Fäden gleich, die, grünlicher Asbest,
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Schaun so behaglich aus dem Wassernest,
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Wie mir zum Hohne, der im Sonnenbrande
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Hier einsam niederlechzt vom Uferrande.
 
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Die Wasserfäden
 
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Neid uns! neid uns! laß die Zweige hangen,
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Nicht weil flüssigen Kristall wir trinken,
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Neben uns des Himmels Sterne blinken,
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Sonne sich in unserm Netz gefangen
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Nein, des Teiches Blutsverwandte, fest
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Hält er all uns an die Brust gepreßt,
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Und wir bohren unsre feinen Ranken
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In das Herz ihm, wie ein liebend Weib,
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Dringen Adern gleich durch seinen Leib
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Dämmern auf wie seines Traums Gedanken;
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Wer uns kenne, der nenne uns lieb und treu,
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Und die Schmerle birgt in unsrer Hut
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Und die Karpfenmutter ihre Brut;
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Welle mag in unserm Schleier kosen;
69 
Uns nur traut die holde Wasserfei,
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Sie, die Schöne, lieblicher als Rosen.
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Schleuß, Trifolium,2 die Glocken auf,
72 
Kurz dein Tag, doch königlich sein Lauf!
 
73 
Kinder am Ufer
 
74 
O sieh doch! siehst du nicht die Blumenwolke
75 
Da drüben in dem tiefsten Weiherkolke?
76 
O! das ist schön! hätt' ich nur einen Stecken,
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Schmalzweiße Kelch' mit dunkelroten Flecken,
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Und jede Glocke ist frisiert so fein
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Wie unser wächsern Engelchen im Schrein.
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Was meinst du, schneid' ich einen Haselstab,
81 
Und wat' ein wenig in die Furt hinab?
82 
Pah! Frösch' und Hechte können mich nicht
83 
schrecken
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Allein, ob nicht vielleicht der Wassermann
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Dort in den langen Kräutern hocken kann?
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Ich geh, ich gehe schon - ich gehe nicht
87 
Mich dünke, ich sah am Grunde ein Gesicht
88 
Komm laß uns lieber heim, die Sonne sticht!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Weiher“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
88
Anzahl Wörter
538
Entstehungsjahr
1797 - 1848
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Weiher“ stammt von Annette von Droste-Hülshoff, einer bekannten deutschen Schriftstellerin aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die der Romantik-Epoche zugeordnet wird.

Zunächst vermittelt das Gedicht einen Eindruck von friedlicher und idyllischer Natur. Die detaillierten Naturschilderungen lassen ein lebendiges Bild entstehen. Das Gedicht beschäftigt sich größtenteils mit der Szenerie rund um einen Weiher und den darin lebenden Tieren sowie Pflanzen. Es spricht von Wasser, Bäumen und Tieren, die in einer friedlichen Koexistenz leben.

Das lyrische Ich scheint sich für die Schönheit und Ruhe der Natur zu begeistern und erweckt den Eindruck, dass sie die Natur geradezu bewundert. Die wiederholte Betonung von „Stille“ und „Frieden“ suggeriert eine tiefe Bewunderung und Hingabe für die Natur und ihre friedvolle Schönheit.

Das Gedicht besteht aus Wechseln der Perspektiven, die jeweils zu den verschiedenen Elementen des Weihers passen - dem Schilf, der Linde, den Wasserfäden und sogar den Kindern am Ufer. Diese Variation der Sichtweisen betont die Diversität und Komplexität der Natur. Durch die vermenschlichenden Beschreibungen, wie das Umgießen der Bäume mit ihren Blättern oder die tanzende Wasserspinne, scheint das Gedicht das tiefe Einssein zwischen Mensch und Natur aufzuzeigen.

Die Dichterin verwendet eine sehr bildhafte Sprache, um die Natur lebendig und greifbar zu machen. Sie bedient sich dabei einer romantisch-verklärenden Diktion, um eine atmosphärische und idyllische Naturdarstellung zu schaffen. Mit dem Einsatz von Reimen und einer melodischen Sprache erzeugt sie zudem einen fast musikalischen Rhythmus, der den Leser/ die Leserin in die Szene hineinzieht und den Aspekt des Friedens und der Harmonie in der Natur noch weiter betont.

Abschließend kann man sagen, dass das Gedicht „Der Weiher“ von Annette von Droste-Hülshoff eine Hommage an die Natur und deren friedvolle Schönheit ist. Es drückt eine tiefe Bewunderung und Liebe zur Natur aus und zeigt, wie der Mensch sie wahrnimmt und sich in ihr verliert. Dabei zeigt es auch die Diversität und Komplexität der Natur auf, die durch die wechselnden Perspektiven und die lebendigen Beschreibungen betont wird.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Weiher“ der Autorin Annette von Droste-Hülshoff. Geboren wurde Droste-Hülshoff im Jahr 1797 . Zwischen den Jahren 1813 und 1848 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her der Epoche Biedermeier zuordnen. Bei der Schriftstellerin Droste-Hülshoff handelt es sich um eine typische Vertreterin der genannten Epoche. Das 538 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 88 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Die Gedichte „Letzte Worte“, „Im Grase“ und „An meine Mutter“ sind weitere Werke der Autorin Annette von Droste-Hülshoff. Zur Autorin des Gedichtes „Der Weiher“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 123 Gedichte vor.

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