Die kleine Hexe von Friedrich Nietzsche

So lang noch hübsch mein Leibchen,
Lohnt sichs schon, fromm zu sein.
Man weiß, Gott liebt die Weibchen,
Die hübschen obendrein.
Er wird's dem art'gen Mönchlein
Gewisslich gern verzeihn,
Dass er, gleich manchem Mönchlein,
So gern will bei mir sein.
 
Kein grauer Kirchenvater!
10 
Nein, jung noch und oft rot,
11 
Oft gleich dem grausten Kater
12 
Voll Eifersucht und Not!
13 
Ich liebe nicht die Greise,
14 
Er liebt die Alten nicht:
15 
Wie wunderlich und weise
16 
Hat Gott dies eingericht!
 
17 
Die Kirche weiß zu leben,
18 
Sie prüft Herz und Gesicht.
19 
Stets will sie mir vergeben:
20 
Ja wer vergibt mir nicht!
21 
Man lispelt mit dem Mündchen,
22 
Man knixt und geht hinaus
23 
Und mit dem neuen Sündchen
24 
Löscht man das alte aus.
 
25 
Gelobt sei Gott auf Erden,
26 
Der hübsche Mädchen liebt
27 
Und derlei Herzbeschwerden
28 
Sich selber gern vergiebt!
29 
So lang noch hübsch mein Leibchen,
30 
Lohnt sich's schon, fromm zu sein:
31 
Als altes Wackelweibchen
32 
Mag mich der Teufel frein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Die kleine Hexe“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
152
Entstehungsjahr
1844 - 1900
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die kleine Hexe“ ist von Friedrich Nietzsche, einem deutschen Philosophen, Kritiker, Dichter und Komponisten der Neuzeit. Nietzsche wurde am 15. Oktober 1844 geboren und starb am 25. August 1900. Daher kann das Werk in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeordnet werden, in eine Zeit, die von umwälzenden gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Veränderungen geprägt war.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht verspielt und humorvoll, es verbirgt jedoch eine subtile Kritik an den herrschenden Moralvorstellungen und der religiösen Praxis seiner Zeit.

Das lyrische Ich, das sich als hübsches junges Mädchen präsentiert, kontrastiert die angenommene Frömmigkeit und das offensichtliche Verlangen eines jungen Mönchs nach ihrer Gesellschaft. Sie spielt mit der Vorstellung, dass Gott die Schönheit, insbesondere die weibliche Schönheit, liebt und beharrt darauf, dass diese Vorstellung ihre freizügigen Handlungen rechtfertigt. Darüber hinaus kommentiert sie spöttisch, dass ihre Schönheit ihre Sünden auslöscht, da sie immer vergeben wird. Sie endet mit der Aussage, dass sie fromm sein will, solange sie jung und schön ist, und sich dem Teufel zuwendet, sobald sie alt und nicht mehr attraktiv ist.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in vier Strophen organisiert, jede mit acht Versen. Dies ist eine traditionelle Form, die oft für lyrische Gedichte verwendet wird und hilft, den Rhythmus und den Fluss des Gedichts aufrechtzuerhalten. Das Gedicht ist in einer informellen und verspielten Sprache verfasst, was auch zum humorvollen Ton beiträgt. Es gibt auch einen Einsatz von Reimen und Alliterationen, was die Lesbarkeit verbessert und zum Gesamteindruck des Gedichts beiträgt.

Im Wesentlichen bietet Nietzsches „Die kleine Hexe“ ein ironisches und spöttisches Porträt der damaligen religiösen Praktiken und Moralvorstellungen, insbesondere in Bezug auf Sexualität und Frömmigkeit. Der poetische Text dient hierbei als Satire und ermöglicht Nietzsche so Kritik an seiner zeitgenössischen Gesellschaft, die er als heuchlerisch und oberflächlich ansieht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die kleine Hexe“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Nietzsche. 1844 wurde Nietzsche in Röcken (Heute Ortsteil von Lützen, Sachsen-Anhalt) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1860 und 1900. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 152 Worte. Weitere Werke des Dichters Friedrich Nietzsche sind „Zarathustras Lied“, „Der Weise spricht“ und „Aus dem Nachtlied Zarathustras“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die kleine Hexe“ weitere 25 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Friedrich Nietzsche

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Friedrich Nietzsche und seinem Gedicht „Die kleine Hexe“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Friedrich Nietzsche (Infos zum Autor)

Zum Autor Friedrich Nietzsche sind auf abi-pur.de 25 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.