Die Anilinfarben von Heinrich Seidel

Es blühte einst, es glühte einst
So weit als breit
Ein Pflanzenheer, ein Blüthenmeer
Im bunten Kleid:
Um Urwaldriesen rankten sie,
Von hohen Wipfeln schwankten sie
Zur Vorweltszeit.
 
Verschwunden ist seit langer Frist
So Blüth' als Baum
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Sie lagen fest im Felsennest,
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Im Todestraum.
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Die Jahre übermannten sie,
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Zu schwarzem Stein verbrannten sie
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Im dunklen Raum.
 
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Doch neu ersteht und nicht verweht,
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Was einst verging.
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In Tag und Jahr wird, was es war,
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Ein jedes Ding.
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In stetem Wechsel reiset es,
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In ew'gen Bahnen kreiset es,
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Im Weltenring.
 
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Und wieder her aus Theer und Schmeer
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Zu neuem Glühn
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In heller Macht, in Flammenpracht,
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Die Farben blühn,
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Die einst im heissdurchfeuchteten,
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Im wilden Urwald leuchteten:
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Blau, Roth und Grün!
 
29 
Wie glühet nun, wie blühet nun
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So weit als breit
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Ein schimmernd Heer, ein Farbenmeer
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Im bunten Kleid:
33 
Um schlanke Leiber ranken sie,
34 
Von stolzen Häuptern schwanken sie
35 
In heut'ger Zeit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Die Anilinfarben“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
35
Anzahl Wörter
149
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Heinrich Seidel, ein deutscher Ingenieur und Dichter, geboren am 25. Juni 1842 und verstorben am 7. November 1906, ist der Autor dieses Gedichts mit dem Titel „Die Anilinfarben“. Das Gedicht kann zeitlich in die Epoche des Realismus (1850 bis 1890) eingeordnet werden.

Auf den ersten Eindruck hin scheint das Gedicht eine Geschichte der Natur und ihrer wiederkehrenden Muster zu erzählen. Es erweckt dabei einen Eindruck von kontinuierlichem Zyklus und Veränderung in der Welt.

Im Zentrum des Textes steht die scheinbare Vergänglichkeit der Natur und ihre Fähigkeit zur Wiedergeburt, in dem sie in neuer Form wieder aufblüht. Am Anfang des Gedichts beschreibt das lyrische Ich eine farbenfrohe Pflanzenwelt in der Vorzeit, die jedoch im Laufe der Zeit durch natürliche Prozesse 'verschwindet' und zu Stein wird. Trotz dieser scheinbaren Vernichtung folgt jedoch eine Wiedergeburt. Altes wird zu Neuem und die prachtvollen Farben der Pflanzenwelt kehren in Form von Anilinfarben zurück.

Es könnte interpretiert werden, dass das lyrische Ich hier eine tiefgründige Botschaft über den Zyklus des Lebens und den ständigen Wandel in der Welt vermitteln möchte. Kein Ding verschwindet wirklich, sondern verändert lediglich seine Form. Die Anilinfarben könnten hierbei symbolisch für die Technologie und den Fortschritt stehen, der der Natur nachempfunden ist, und damit eine Brücke zwischen Natur und Mensch schlagen.

In Bezug auf die Form, besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit jeweils sieben Versen. Diese strenge Struktur könnte als Symbol für den wiederkehrenden Zyklus der Natur und der Welt dienen. Sprachlich fallen die vielen Kontraste zwischen Naturbildern wie Blüten, Bäumen und Steinen und den industriellen Bildern von Teer und Anilinfarben auf, die der Dichter nutzt, um sein Thema zu unterstreichen. Außerdem bedient sich Seidel einer einfachen, klaren Sprache und verwendet zahlreiche farbige Adjektive ('blau, rot, grün'), um das Bild der blühenden Natur und ihrer Wiedergeburt in den Anilinfarben zu malen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Anilinfarben“ ist Heinrich Seidel. 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1858 und 1906. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 149 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 35 Versen. Der Dichter Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Zug des Todes“, „Der Tod Moltkes“ und „Wälder im Walde“. Zum Autor des Gedichtes „Die Anilinfarben“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 216 Gedichte vor.

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